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Kapitel 20 Die geistige Sonne, Buch 1

Gang zur Hölle

(Am 16. Dezember 1842 von 4 – 6 1/2 Uhr abends.)

1. Um aber auf diese günstige Anhöhe zu gelangen, werden wir uns gegen die morgige Seite dieser allgemeinen Nordgegend ziehen und von dort aus erst unsere Höhe besteigen. Denn die Gegend mehr nordwärts hin ist zu sehr ungeheuer, um in selbiger irgendeine Reise weiter fortsetzen zu können, und zudem werden wir sie von der Höhe ohnedies auch überblicken können. Und so denn begebt euch mit mir, und wir wollen nach geistiger Art sobald als möglich an Ort und Stelle sein.

2. Seht, wir sind schon da beim ersten Tal, und da seht hin zu dem Fluss, allda werdet ihr das uns zuvor begegnete Paar erschauen, wie sich dasselbe in dem Wasser des Flusses reinigt und zum Teil auch schon ein merklich besseres Aussehen gewinnt. Ihr fragt, was solches bezeichne?

3. Solches bezeichnet denjenigen Zustand des Menschen, so er dieses fleischlichen Lasters satt und müde geworden ist und bekommt dann eine reuige Sehnsucht, sich zu bessern, solcher Sünde völlig zu entsagen und sich darum nach aller Möglichkeit zu reinigen von allem Übel der Sünde. Ihr seht, wie schwer solche Reinigung ist. Und wenige Buchten hat dieser Strom, welche für solche, wie ihr zu sagen pflegt, abgelebte Sünder zugänglich sind. Und da darf er sich ja nicht so weit hineinwagen. Denn fürs Erste sind die Fluten des Stromes zu reißend und zugleich von solchen Erscheinlichkeiten, die solche Büßer zu verschlingen drohen.

4. Wenn sie aber mutig in ihrer Bucht beharren, so werden sie aber dennoch immer stärker und geheilter, bekommen endlich stets mehr Mut, und wenn sie zur vollen Kraft gelangt sind, so können sie sich gegen den Strom aufwärts bewegen nach der Richtung hin zwischen Morgen und Mitternacht, von wannen der Strom herkommt. Und wenn sie sich bis dahin gebracht haben, wo ihr vor uns in ziemlicher Ferne zu beiden Seiten des Flusses einen Hügel erblickt, so habt ihr die einzige Brücke über diesen Fluss erreicht, über welche sie an das jenseitige Ufer und sodann in die abendliche Gegend gelangen können.

5. Was es da mit der abendlichen Gegend für eine nähere Bewandtnis hat, werden wir dann gar wohl erkennen, wenn wir dieselbe sogleich nach dieser nördlichen Gegend bereisen werden. Da ihr nun solches wisst, so lasst uns sogleich auf unsere bedingte Höhe uns erheben, um von da diese Nordgegend näher zu beschauen.

6. Ihr fragt schon wieder, ob man von da diese Höhe nicht erblicken kann? O ja, seht nur da hinauf in der ziemlichen Ferne jene höchste weißlich-graue Gebirgskuppe; das ist unser bestimmter Standpunkt. Es graut euch wohl ein wenig vor solch einer schwindelnd hohen Gebirgsspitze. Allein solches tut nichts zum Schaden der Sache, denn wir werden sie ebenso leicht ersteigen wie diesen Punkt, auf dem wir gegenwärtig stehen, und so ihr wollt, machen wir uns auf den Weg. Ihr wollt, und seht, wir sind schon an Ort und Stelle. Seht, es ist ziemlich viel Raum auf dieser Spitze; nur müsst ihr euch nicht allzu sehr einem oder dem anderen Rand nahen und besonders demjenigen am allerwenigsten, der da nach dem tieferen, wie ihr seht, ganz stockfinsteren Norden zugewendet ist.

7. Und so tretet denn hierher zu mir und seht da hinab. Seht die drei Gräben in ziemlicher Ferne von uns dort gegen Abend hin; es sind die uns schon bekannten. Aber nach diesen dreien erblickt ihr noch sieben; und wenn ihr recht genau schaut, so werdet ihr sie voll Löcher erblicken, aus welchen sich ein graudunkler Rauch erhebt. Ihr fragt, was solches bezeichne?

8. Solches bezeichnet jenen Zustand des Menschen in seinem Leibesleben, der da das Wahre kennt, dasselbe absichtlich ins Falsche kehrt, und dann aus seiner inneren Bosheit dagegen handelt. Die Löcher, die da offen stehen gegen das einfallende Licht vom Mittag her, bezeichnen die Erkenntnis der wirklichen Wahrheit; der entstiegene Rauch aus diesen Löchern aber bezeichnet die freiwillkürliche Verkehrung göttlicher Wahrheit in eitel Falsches. Das verborgene Feuer, dem dieser Rauch entsteigt, aber ist das verborgene Grundböse, das da folgt dem höchsten Grad der Eigenliebe und der daraus hervorgehenden Herrschsucht. Aus diesem Grundbösen heraus wird aller gute Same des Lichtes in den Samen des Unkrautes verwandelt. Und dieses Unkraut wird dann von diesem Feuer entzündet, verbrannt und löst sich dann in diesen euch sichtbaren Rauch auf.

9. Diese sieben Täler erblickt ihr auch durch Gebirgsrücken voneinander abgesondert, und einen jeden Gebirgsrücken seht ihr bestehen aus zehn Hügeln. Ein jeder Hügel ist wie mit einer Kapelle geziert. Was bedeutet wohl dieses? Diese zehn Hügel bezeichnen allenthalben das erhabene mosaische Gesetz. Die Kapellen auf den Hügeln bezeichnen die Weisheit dieses Gesetzes, die sieben Täler, durch welche diese Hügelreihen abgesondert sind, aber bezeichnen das Siebengesetz der Nächstenliebe.

10. Nun aber seht ihr in ebendiesen Tälern unter einem jeden solchen Hügel ein dampfendes Loch gehen. Solches besagt die Untergrabung des göttlichen Gesetzes und die gänzliche Verfinsterung und Zugrundrichtung der Nächstenliebe, welches alles zusammengenommen die große Hurerei zu Babel benamst wird. Dieser Rauch aber ist ärger denn alle Pestilenz. Wer ihn einmal eingesogen hat, der wird sobald so sehr betäubt und blind gemacht, dass er nicht nur im Tal selbst keine freie Stelle finden kann, sondern er kann sich drehen wie er will, und er mag nicht diejenige Stelle verlassen, auf welcher er von dem Rauch verpestet wurde.

11. Ihr fragt: Was dann mit einem solchen? – Blickt nur genauer hinab, und ihr werdet leichtlich erschauen, wie aus den freilich wohl verschlossenen Kapellen rettende Wesen in die Tiefe eilen und sich solchen Bedampften nahen und sie von der Stelle hinwegziehen auf freiere Plätze. Aber, wie ihr auch seht, nur wenige lassen sich weiterbringen, die meisten aber beharren ganz eigensinnig auf ihrem Standpunkt und lassen sich eher von den schwarzen Boten, die diesen Löchern entsteigen, in diese Löcher geleiten, als dass sie möchten dem rettenden Zug der stets wachenden Bewohner dieser Kapellen folgen.

12. Seht, das ist so das eigentliche Bild eurer gegenwärtigen Welt und bezeichnet das Wesen aller Lasterhaftigkeit bei Leibesleben der Menschen auf der Erde.

13. Ihr seht aber diesen hohen Gebirgszug endlos weit diese mitternächtliche Vorgegend trennen von der wahren finsteren Mitternacht, welche ihr hinter unserem Rücken allschauerlichst und schrecklichst erschauen mögt.

14. Bevor wir aber noch in diesen Hintergrund einen Blick senden wollen, werden wir noch unsere Blicke gegen die morgendliche Seite hinabsenden.

15. Seht, da erblickt ihr nach unseren schon bekannten drei Mitteltälern, d. h. denjenigen, die wir persönlich besucht haben, ebenfalls sieben Täler. Diese stehen im Verhältnis zu den von uns soeben abendlich beschauten, wie ihr seht, ums Bedeutende höher und sind allenthalben mit ziemlichen Dörfern bevölkert. Aber ihr seht auch mit nur ein wenig angestrengten Augen gar leicht, wie da nirgends eine rechte Ordnung anzutreffen ist. Nirgends zeigt sich viel Lebendiges. Die Äcker seht ihr zumeist brach liegen, und da noch ein Weizen- und Kornfeld ist, ragt allenthalben mehr denn drei Vierteile [Viertel] Unkraut über das edle Getreide empor. In dem letzten Tal gegen Morgen hin nur sieht es ein wenig besser aus; aber selbst allda ist noch mehr Unordnung als Ordnung zu erschauen.

16. Zugleich erschaut ihr auch auf den ähnlichen Hügeln zwischen den Tälern wie gegen den Abend hin Kapellen; aber nur sehr wenige, wenn ihr recht genau schaut, seht ihr zu denselben hinaufwandeln. Die wohlwollenden Kapellwächter haben zwar so viel als möglich allenthalben die bequemsten Wege angelegt; aber selbst diese sind den Bewohnern dieser Dörfer viel zu unbequem und viel zu beschwerlich. Und wie ihr seht, die schönen Gärten um die Kapellchen herum, vollbesetzt mit guten Fruchtbäumen, und die schöne Aussicht von diesen Hügeln hinüber über den Strom in die glücklichen Gefilde des ewigen Morgens vermögen diese langweiligen Siebenschläfer nicht dahin zu bringen, dass sie sich aus ihren Schlafwinkeln erheben möchten und wandeln hinauf zu diesen Kapellchen.

17. Ihr sagt: Solches ist alles richtig, und wir sehen es mit unseren Augen. Aber was besagt denn solches?

18. Liebe Brüder und Freunde! Hier bin ich der Meinung, dass ihr solches wohl auf den ersten Augenblick erkennen solltet. Und so will ich euch denn darüber nichts anderes sagen, als das nur, was der Herr zu Johannes gesprochen hat bezüglich der Gemeinde von Sardes, allda Er sagte: „Weil du weder kalt noch warm bist, sondern lau, so will ich dich aus Meinem Munde speien.“ Mehr brauche ich wahrlich nicht; vergleicht nur eure sogenannte gute oder bessere Welt mit diesem Bild, und ihr werdet es ganz buchstäblich bestätigend wahr finden.

19. Heißt es nicht auf der Welt: Ich tue ja ohnehin nichts Schlechtes; was gehen mich demnach die sogenannten göttlichen Gebote an? Wenn ich ruhig bin und niemandem schade, was will man denn noch mehr von mir? Seht, unter diesem Grundsatz liegt die ganze Bevölkerung dieser Gegend in ihren Kneipen drinnen und kümmert sich nicht eins um das andere. Wenn da jemand geht und um Hilfe ruft, so kommt ihm entweder niemand zu Hilfe, oder es raunt ihm jemand aus irgendeinem solchen Schlafwinkel zu: Helfe dir selbst, so gut du kannst, ich werde mir auch selbst helfen, so mir was fehlt. Du gehst mich nichts an und ich dich nichts, ein jeder kümmere sich für sich.

20. Seht, aus diesem könnt ihr eure Welt sicher gar leicht erkennen. Aber wo befindet sie sich? Ihr seht, dass sie fürs Erste so gut von diesem verhängnisvollen Strom von allen glücklichen Gefilden abgeschnitten ist wie die anderen gar argen Gegenden, und fürs Zweite stößt diese Gegend ebenso allernächst an dieses Grenzgebirge zwischen Dies- und Jenseits als diejenige Gegend, die wir gegen Abend hin betrachtet haben. Und wie ihr alle diese Täler seht, so mündet am Ende ein jedes an dieses hohen Gebirges Wand in einen finsteren sogenannten Tunnel oder unterirdischen Gang, welcher schnurgerade in dieses überaus finstere Jenseits führt, das sich nun hinter unserem Rücken befindet.

21. Ihr fragt: Was ist dieses? – Ich aber sage euch: Indem wir die Vorgegend betrachtet haben, so wenden wir uns schnurgerade ein wenig um. Und blickt in diese jenseitige Gegend, und drei kurze Blicke werden euch mehr sagen, als ihr wissen möchtet.

22. Nun, ihr habt euch umgedreht; was habt ihr da erblickt? Ihr sagt: Vorderhand noch nichts als eine stets dichter und dichter werdende Nacht. – Blickt noch einmal; was seht ihr jetzt?

23. Oho, jetzt schreit ihr: Schrecklich, schrecklich, und Elend über Elend! Wir sehen nichts als ein Feuer um das andere und glühende Schlangen sich krümmen in den Flammen. – Gut, jetzt blickt aber noch einmal; was seht ihr jetzt? Dieser Anblick, wie ich sehe, lässt euch kein Wort mehr finden; und jetzt sage ich euch: Das sich auf euren dritten Blick eurem Auge gezeigt hat, das ist der erste Grad der wirklichen Hölle! Es gibt noch einen zweiten und einen dritten. Solchen aber mögt ihr nicht erschauen; denn schon ein allerkürzester Blick würde euch das Leben kosten, denn alldort wohnt schon der allerintensivste Tod. Solches aber habe ich euch darum gezeigt, damit ihr entnehmen mögt, wohin die unterirdischen Gänge aus all diesen Tälern unwiderruflich führen!

24. Wie schwer dem Geist, ja dem materiell bösartig schweren Geist der Rückweg wird, solches mögt ihr aus der unermesslichen Tiefe gar leicht ersehen, die sich von diesem Gebirgsrücken allersteilst hinabzieht in einen ewig finsteren Abgrund. Mehr braucht ihr vorderhand davon nicht zu wissen.

25. Dieser Standpunkt, auf dem wir uns befinden, aber ist jene freie Höhe des Menschen bei seinem Leibesleben, von welcher aus er gleichermaßen das Wahre und das Falsche, das Gute und das Böse vom Grunde aus in sich erkennt.

26. Wer auf dieser Höhe ist, der hat des Lebens wahre Bedeutung gefunden und kann nimmerdar verloren gehen, außer er müsste nur gleich einem Wahnsinnigen sich hinabstürzen aus dieser Höhe in den Abgrund. Solches wird er aber doch bleiben lassen. Und so denn begeben wir uns wieder von dieser Höhe hinab, allda der Nachen unser harrt. Ihr wollt, und seht, wir sind schon wieder an Ort und Stelle.

27. Steigt nur sobald hinein, und ich werde ihn loslösen und euch wieder an das jenseitige glückliche Ufer führen. Ihr seid darinnen, der Nachen ist gelöst und die Fahrt beginnt.

28. Seht, diesmal tauchen noch mehrere Ungeheuer auf und drohen uns zu verschlingen, denn bei der früheren Überfahrt. Allein seht, da ist schon das glückliche Ufer, jetzt mögen sie ihre Zähne in den Nachen schlagen, wir sind im Trockenen! Und so denn wollen wir von hier aus uns gegen Abend wenden und denselben besichtigen. Doch werden wir unsere Tritte in diese bessere Gegend erst das nächste Mal setzen. Und somit gut für heute!

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