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Kapitel 32 Bischof Martin

Fortsetzung des Disputes über die Gottheit Jesu. Der Weise entpuppt sich als ein naher Bekannter des Bischofs und Freund Swedenborgs.

1. Spricht der Weise: „Freund! Fürwahr, ich muß es offen gestehen, daß ich dir nicht gewachsen bin, obschon du mir mit all diesen deinen triftigsten Gegenbeweisen von der einzigen Gottheit Jesu des HErrn auch nicht ein Atom weggenommen hast, im Gegentheile nur vielfach mehr bestärket; weil ich daraus wirklich noch klarer ersah, daß Gott auch ein Mensch, aber freilich der allerhöchste und allervollkommenste Mensch ist, und sein muß, ansonst wir unmöglich das wären, was wir sind, nehmlich „Menschen“, und Gott auch nicht lieben könnten, so Er nicht Ein Mensch aller Menschen wäre!

2. [Hier findet sich in späteren Editionen folgender Text (Lorber-Verlag, 4. Auflage, 2003):] Die Liebe aber ist unser höchstes Gut, unser Leben, unsere Seligkeit! Wozu wohl wäre sie, so wir Gott nicht lieben könnten, da Er kein Mensch wäre?]

3. Thue du nun was du willst, aber von mir erwarte ja keine höhere Weisheit; ich gab dir hiemit alles, was ich hatte.“

4. Der B. Martin denkt über das vom Weisen der Gesellschaft Gesagte nach, und spricht nach einer Weile, mehr zu sich als zum Weisen, (Martin): „Du hast im Grunde recht; denn wenn der Pentateuch (die 5 Bücher des Moses) die Wahrheit spricht, da mußte Gott freilich wohl ein Mensch sein, ansonst Er den Adam nicht nach Seinem Ebenmaße erschaffen hätte, so Er Selbst nicht die gleiche Gestalt hätte; dieselbe Gestalt aber setzt freilich auch dieselbe Wesenheit voraus?

5. Ein Uhrmacher braucht freilich wohl selbst keine Uhr zu sein, um eine Uhr zu machen; aber die Idee der Uhr muß er doch aus sich nehmen, ansonst er keine Uhr zuwege brächte?!

6. Aber da ist ja schon wieder ein Hacken! – So ein Mensch eine Idee fassen kann, die ihm nicht gleicht, also ein ganz anderes Bild ist, solle das Gott nicht vermögen?! O sicher, das wird Er gar wohl vermögen?!

7. Demnach könnte der Text aus dem Pentateuch etwa also zu verstehen sein: Gott schuf den Menschen nach Seinem Ebenmaße heißt: Gott schuf den Menschen nach dem Maße Seiner Idee, d. h. Seiner Idee vollkommen entsprechend!?

8. Wenn der Text so zu verstehen ist, was sehr viel Wahrscheinliches in sich hat, da wäre dann freilich lange keine Folge, daß Gott den Menschen gerade nach Seiner Gestalt geschaffen hätte, oder daß Gott überhaupt eine begrenzte Gestalt haben müßte, um einen Menschen gestalten zu können; ist ja doch jede Idee als Begriff an sich selbst gestaltlos, so kann auch Gott an und für sich als die Totalgrundidee aller Ideen eben auch gestaltlos sein.

9. Denn müßte man annehmen, daß Gott, um Menschen zu gestalten, auch nothwendig eine Menschengestalt haben müßte, so müßte Er, um einen Bären, oder einen Haifisch, und so fort alle zahllosen Dinge zu gestalten, entweder Sich in alle diese Gestalten verwandeln können, oder Er müßte gewisserart getheilt in allen diesen Gestalten für ewig unveränderlich vorhanden sein, damit an Ihm alle Dinge und Wesen ein sie allzeit richtendes und nach Ihm formendes Muster hätten!?

10. Das anzunehmen wäre doch wohl die barste alte scholastische Faselei; daher braucht Gott auch keine Gestalt, um Menschen als Menschen zu gestalten, und am allerwenigsten braucht Er darum Selbst ein Mensch zu sein, welche Annahme auch dem Begriffe der vollkommensten göttlichen Freiheit schnurgerade in die Quere springt; denn wie ist eine vollste Freiheit unter dem Begriffe einer gestaltigen Einschränkung denkbar?!

11. Daher muß auch die vollste Freiheit gestaltlos sein, was auch mit dem Texte des Pentateuch zusammengeht, wo Jehova dem Moses strenge verbietet, Ihn sich irgend unter einem Bilde vorzustellen!

12. Ja, ja, du mein geliebtester Freund, nach der reinen Vernunft werde wohl ich recht haben, und du aber wirst nach Paulus „Deines Glaubens leben“; ist freilich auch ein Leben, aber ein Leben ohne Einsicht, und ohne Rechnung! Ich will es dir nicht nehmen, und will aus dir auch keinen Proselyten machen, aber zeigen muß ich dir doch, daß ein einstiger Bischof auf der Erde nicht um ein leichtes Geld umzuwenden ist gleich einem Hasenbalge, besonders von Jenen schon gar nicht, die auf der Erde seine Schafe waren!“

13. Spricht der Weise: „Ah, ja so, nun weiß ich freilich, von welcher Seite her der Wind wehet, und wohin er ziehet; ja, so du derjenige Bischof bist, der erst vor einigen Wochen dieses ewige Sein mit dem Zeitlichen austauschte, dann ist es wohl begreiflich, warum dir die Gottheit Jesu nicht eingeht; ex trunco non fit mercurius (d. h. an den Dornen wachsen keine Trauben)!

14. Ich aber bin der Buchhändler in derselben Stadt, wo du Bischof warst; ich weiß es nur zu gut, wie du beschaffen warst! Aeußerlich ein Zelot ohne Gleichen, bei dir selbst aber ein barster Atheist! Wer las fleißiger den Kant, den Hegel, und vollends mit dem größten Enthusiasmus den Strauß; Voltaire, Rousseau und Helvetius lagen statt der Vulgata stets auf deinem Lesepulte, lauter Geister, die du auf der Kanzel und in den Hirtenbriefen tausendmale zur Hölle sandtest, aber bei dir im Herzen sie beiweitem über Jesum erhobst!

15. O siehe, das weiß ich am besten, weil ich dir alle diese Werke liefern mußte, und dein Vertrauter war; aber ich folgte dir dennoch nicht, sondern ging meinen geheimen Weg fort, den ich in Swedenborg fand, von dem du aber nie etwas hören und wissen wolltest, weil er nicht für deine römische Fik-Mühle taugte! No gut, daß ich nun das weiß! wir werden darum schon noch einige Wörtlein mit einander zu wechseln bekommen!“

16. Spricht der B. Martin ganz verblüfft: „Nun, nun, jetzt geht es gut! zu allen Uebeln auch noch das! Muß aber dich der – Gott steh uns bei, auch gerade hierher gebracht haben!

17. (Bei sich:) Der Kerl von einem Buchhändler weiß nun auch noch eine Menge anderer Stückel von mir! No, das wird eine schöne Wäsche hier in der Geisterwelt absetzen!

18. Wenn nur der Hausherr Jesus, Der er es ganz sicher ist, nicht etwa herein käme! Das wäre ja eine ganz verzweifelte Geschichte! denn ich habe von Ihm schon so einige Leviten bekommen, und Er hat mir schon so einige meiner irdischen Lumpereien aufgedeckt.

19. Aber wenn dieser Glanzhütler anfängt, über mich loszuziehen und aufzudecken meine geheimen Hauptlumpereien, da wird es mir sicher nicht am besten ergehen!? vielleicht komme ich wieder so auf irgend ein angenehmes Wasser, oder auf sonst ein Uferl hin, sicher auf einige Millionen von kurzweiligen Jährlen!? oh, oh, ohohohoh! das wird wieder löblich sein!

20. Was thue ich denn nun, um dieser Kalamität auszuweichen, wenn hier überhaupt eine Ausweichung möglich ist?! Hm, hm, hm, aha, ja, da hab ich’s schon, ’s geht, so geht’s; und geht es nicht, so gehe ich denn wieder an irgend ein Meeresuferchen, die Ewigkeit auf selbigem fischen! In Gottes Nam’, ist mir nun schon Alles eins! – – Nein, aber gerade mit diesem Kerl mußte ich hier zusammenkommen?! Aber die Sache läßt sich nicht mehr ändern, daher nur einen rechten Entschluß gefaßt und ausgeführt! Was thue ich also nun?!“

21. Fällt ihm unaufgefordert der Buchhändler ins Wort, und sagt: „Glaube! was ich wohl gegründet glaube, so wirst du aller deiner vermeintlichen Kalamität entgehen, halte mich aber fürderhin für keinen Verrathspitzel mehr, sondern für deinen Freund nur, dem du aus dem Feuer seines blinden Eifers halfst, und hast ihn bekleidet, da er nackt war!

22. Glaube es mir, Jesus der Herr wird bei uns ewig keine Spione und Verräther brauchen; denn Ihm sind unsere innersten Gedanken schon eher bekannt, bevor wir sie noch in unserer Seele empfunden haben, daher wir uns füglich die Mühe, einander anzuschwärzen, vollends ersparen können.

23. Schau, schau, Bruder, warum solle denn Jesus nicht der Herr Himmels und aller Welten sein können, warum nicht Gott der Ewige, der endlos Mächtige? Sollte denn Ihm gerade das Leichteste meines Erachtens, wenn für Gott überhaupt Schweres oder Leichteres denkbar ist, weniger möglich sein, als etwas, das ich für viel schwerer erachten möchte?

24. Sollte Dem, von Dem jedes durch Zeit und Raum begrenzte Wesen hervorging, unmöglich wohl sein, ohne Verlust Seiner göttlichen Allmacht, aus Liebe zu uns Seinen Geschöpfen, Seinen Kindern, Sich Selbst in Zeit und Raum einzuschränken, da doch Zeit wie Raum aus Ihm hervorgehen?

25. Oder sollte ein Maler oder Bildner, der tausend Gestalten in Farben oder in geformter Materie wiedergab, nicht auch sich selbst zu malen, oder zu meißeln im Stande sein? wenn das aber schon einem Menschen möglich ist, wenn schon in unvollkommener Weise, wie sollen wir uns von Gott da etwas Unmögliches denken können?!

26. Oder, wäre Gott wohl das höchst freieste Wesen, so Er irgend etwas aus Sich Selbst nicht zu bewirken im Stande wäre?! Du beschränkst Ihn ja durch deine heglianischen Grundsätze vollends, und machst aus Ihm einen Unendlichkeitsarrestanten, der höchstens Zentralsonnen erschaffen kann mit Erden, Menschen, Thieren, und vollends mit den Infusorien, die doch auch Leben haben, und einen endlos kunstvoll konstruirten Organismus, durch den sich eben das Leben kund giebt, aber als ein endlos großes Allwesen unmöglich etwas zu thun haben könnte, und sich daher um uns Menschen auch nicht kümmern möchte und könnte, eher als bis wir etwa die Zentralsonnen-Größe möchten erreicht haben! wie aber das?! darüber wird auch Hegel und Strauß geschwiegen haben!?

27. Ich, dein Freund, meine nun, du wirst zur Einsicht kommen, und wirst keinen Anstand mehr finden, Jesu die Ehre zu gönnen und zu geben, die Ihm für alle Ewigkeiten der Ewigkeiten gebührt, und nun um so mehr, da Er dir schon so große Gnaden von Neuem erzeigt hat?!“

28. Spricht der B. Martin: „Bruder, Freund! Ich habe dich aus der Flamme gezogen; du aber hast mir dafür nun eine andere Flamme mächtigsten Lichtes gegeben! Ich danke Ihm, ich danke dir! Aber nun lasse mich sammeln, lasse mich fassen; denn zu groß, zu unendlich ist der Gedanke, den ich jetzt denken muß! Daher gönne mir einige Ruhe! – Ich erwache, ich erwache!!! – “

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