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Kapitel 5 Die drei Tage im Tempel

Rede des Obersten der Synagoge von Bethlehem. Antwort des Jesusknaben. Misslungener Störungsversuch eines stolzen Pharisäers

1. Hierauf wandte sich der Oberste an Mich und fragte: „Nicht wahr, du willst alle die Data und Erscheinungen jener denkwürdigen Geburt zu Bethlehem von uns genauest erfahren?“

2. Sagte Ich: „Oh, damit kannst du dir auch gar fein die Mühe und Arbeit ersparen. Denn alles das ist Mir so getreu und wahr bekannt wie keinem aus euch! Ich will von euch nur nach allem dem, was sich damals in Bethlehem zugetragen hatte, erfahren, ob und in welchem Zusammenhang ihr das mit den Aussagen aller Propheten findet, namentlich mit den Aussagen des Jesajas. Um das handelt es sich und um sonst gar nichts, Meine Ältesten!“

3. Spricht der Oberste aus Bethlehem: „Ja, du mein lieber, holder Junge, siehe, du verlangst da Dinge von uns, die wir dir sehr schwer oder auch gar nicht zu geben imstande sind!

4. Es ist schon wahr, dass zwischen den Aussagen des Propheten Jesajas und jener vor zwölf Jahren zu Bethlehem erfolgten Geburt in einem Stall – eines auch von einem Propheten bezeichneten Ortes – eine Art Zusammenhang unfehlbar zu suchen und auch eben nicht unleicht zu finden ist; aber, mein Lieber, wie viel derart Ähnliches mag schon seit den Zeiten des Propheten Jesajas dagewesen sein, und noch ist von einem Emanuel leibhaftig keine Spur!

5. Judäa war sozusagen schon mehrmals königlos, und so manche Jungfrau gebar bei Bethlehem irgend in einem Stall ein Knäblein, und manchmal sogar unter – obschon nur zufällig – großer Zeremonie, die aber nur als ein Naturereignis für sich dastand.

6. Schwache und abergläubische Menschen unter Zutritt gewinnsüchtiger Magier aus Indien und Persien, und Sterndeuter, an denen es bei uns noch nie einen Mangel gab, haben sie was zu benützen gewusst; mit den Sagen der Propheten vertraut, benutzten sie stets solche besonderen Gelegenheiten und verkündeten den blinden Juden mit ernsten Prophetenmienen, wie nun ihr angehoffter Messias unfehlbar zur Welt geboren worden sei.

7. Aber die Zeit, die unerbittliche Zerstörerin aller menschlichen Werke und Sagen und Dichtungen, hat die Nachkommen stets wieder eines anderen und Besseren belehrt. Alles versank in die bodenlose Tiefe der stets größeren Vergessenheit, und auf uns kam nichts Weiteres als eine eitle Sage in irgendeiner möglichst größten Verwirrtheit. Die Aussagen der Propheten sind mystische Bilder, an denen die Menschen noch Hunderte von Jahren nagen werden; aber schwerlich je wird ein Volk zu einer Lösung auf Erden gelangen.

8. Und siehe, du mein holder Knabe, ebenso steht es auch mit der vor zwölf Jahren erfolgten wunderbaren Geburt zu Bethlehem als dem mir nur zu wohlbekannten Ort, der eben darum, weil ihn die Propheten so ausgeschrien haben, stets von allerlei Magiern, Sehern und Sterndeutern umschwärmt wird, ob sich dort nicht etwa irgendwas ereignen würde, das sie zu ihrem Nutz ausbeuten könnten. Die Geburt vor zwölf Jahren war ein Hauptwasser auf ihre trockenen Felder.

9. Die drei Magier aus Persien haben um ihre der Jungfrau dargebrachten Geschenke mir wohlbewusstermaßen eine Menge Schafe, Kälber, Kühe und Ochsen zum Gegengeschenk von den Hirten bekommen und haben ihre Reise sicher nicht umsonst gemacht. Doch nun sind erst zwölf Jahre seither, und schon gedenkt kein Mensch mehr jener Geschichte.

10. Dass du uns aus dem Schwärmerland Galiläa diese Geschichte wieder vorbrachtest, wundert mich nicht im Geringsten, denn Galiläa war ja stets das Land der Schwärmerei, aus welchem Grund es auch schon von den Alten als ein Land bezeichnet wurde, aus dem nimmer irgend ein wahrer Prophet kommen kann.

11. Damit, mein holder Junge, glaube ich auch deine sogenannte Vorfrage ganz beantwortet zu haben. Es kann wohl sein, dass einstens einmal Jehova den jetzt sehr bedrängten Juden irgendeinen Helden erweckt, der sie wieder zu einem freien Volk erheben wird; aber dazu ist eben jetzt nach der ganz natürlichen Lage der Dinge die allergeringste Aussicht vorhanden.

12. Wie müsste ein Held etwa aussehen, und von woher müsste er gekommen sein, der es mit der ungeheuersten Macht der Römer aufnehmen könnte? Das kann vielleicht in tausend Jahren einmal geschehen, wann zufällig allen anderen Weltgroßmächten gleich auch Rom locker und schwach wird, aber jetzt ist dazu wohl noch lange keine Aussicht vorhanden, und deine berühmte Vorfrage geht da offenbar ins Blaue der Luft über. Bist du nun endlich im Klaren mit der Vorfrage?“

13. Sagte Ich: „Ja, ja, so du alles nach dem diesweltlichen Maße nimmst, da magst du recht haben. Aber hier ist nur ein rein geistiges Maß anzunehmen, von dem du aber eigentlich gar keinen Begriff zu haben scheinst, und so hast du Mir mit deiner ganzen, erfahrungsreich sein sollenden Rede am Ende in Bezug auf Meine Vorfrage dennoch ebenso viel als gar nichts gesagt!

14. Denn so der Messias kommen wird, wird er kein materielles, sondern ein geistiges Reich auf Erden gründen, und dieses Reiches wird kein Ende sein in Ewigkeit, wie solches auch der Prophet Jesajas von dem kommenden Messias geweissagt hat.

15. Was ist aber ein geistiges Reich auf Erden? Das ist kein Reich mit einem äußerlichen Schaugepränge, sondern das muss inwendig im Menschen sich offenbaren, und ein Mensch, der in dieses wahre Gottesreich auf Erden unter die Menschen gelangen wird, der wird sein ein wahrhaft lebendiger und wird den Tod nicht sehen noch fühlen und schmecken in Ewigkeit, wie solches David, Daniel und Jesajas geweissagt haben.

16. Wenn es sich aber mit dem verheißenen Messias nur so und niemals anders verhalten kann, wie und aus welchem Grund sollte denn jene stark wunderbare Geburt zu Bethlehem ganz so bedeutungslos dastehen?

17. Gott hat jenes Kind wunderbar vor der mörderischen Hand des Herodes beschützt, und es lebt heutzutage, freilich höchst zurückgezogen, und steht, wo es sein muss, in einer allen Elementen gebietenden Kraft da, wie solche nur einem Gott möglich sein kann. Niemand kann sich vor Ihm verbergen; verbirgt es sich aber vor den anderen Menschen, so ist es aber dann niemandem möglich, es eher irgend zu finden, als bis es sich ganz freiwillig finden lässt.

18. Es hatte nie Lesen und Schreiben gelernt, und dennoch gibt es keine Schrift in der Welt, die es nicht lesen könnte, und schreibt in allen Zungen und ist bewandert in allen Künsten, die nur irgend in der Welt vorhanden sein können, und hat eine Kraft, vor der Berge zittern und die mächtigsten Zedern ihre Häupter bis zur Erde herab beugen, und selbst Sonne, Mond und Sterne scheinen zu gehorchen seinem Willen! Was Ich hier sage, ist keine Übertreibung, sondern ganz reine buchstäbliche Wahrheit!

19. Wenn aber genau so und nicht anders, da meine Ich denn doch, dass es von eurer Seite der Mühe wert wäre, euch näher darum zu erkundigen und darüber nachzusehen in den Propheten, ob die Weissagung Jesajas nicht übereinstimme mit den bewussten Eltern des Kindes, mit dem Kind selbst, mit seiner Geburt, mit dem Geburtsort, mit der Zeit, mit seinem jetzigen Aufenthalt und mit so manchen Zeichen, die es schon bis jetzt von sich gegeben hatte!

20. Diese an sich gewiss nicht unwichtige Sache sollte von euch Priestern, Weisen, Schriftgelehrten und Ältesten des Volkes doch nicht ganz so unbeachtet bleiben, da ihr doch eben jene Stellen im Volk bekleidet, von denen das Volk die offene Kundgabe der Ankunft des ihm verheißenen Messias allein und mit allem Recht zu erwarten hat. Ich rede um Mein teuer erkauftes Recht, und es steht niemandem zu, Mich schweigen zu heißen! Da steht der römische Richter, dem allein ein solches Recht zusteht!“

21. Ich würde diese Berufung an den Richter nicht gemacht haben, so Mich im Flusse Meiner Rede nicht ein alter, gar stolzer Pharisäer zu schweigen ermahnt hätte, da dies Dinge wären, über die ein naseweiser Sauhirte aus Galiläa durchaus nicht zu urteilen habe.

22. Aber der Richter, der ganz auf Meiner Seite war, verwies sehr ernstlich dem Pharisäer seine Gerechtigkeit und gebot ihm, mit solch einer gemeinen Herrschsprache in seiner Gegenwart nicht mehr zum Vorschein zu kommen. Denn Meine Kundgabe über den irgend bei Nazareth wohnenden Wunderknaben sei wichtiger auch für die Römer als ihr ganzer abgenützter schon sehr fadensichtig gewordener Judenkram. Er sagte den Pharisäern trocken ins Gesicht:

23. „Eure Lehre, wie keine auf der weiten Erde, bedarf einer gänzlichen Reformation, sonst hält sie sich wahrlich keine zwanzig Jahre mehr! Denn wie eure Gotteslehre und euer Gottesdienst nun bestellt sind, da sind Roms Bacchanalien eine wahre Sonne dagegen, obwohl sie als eine Verehrung eines höheren Gottwesens als eine wahre Missgeburt des Menschenverstandes dastehen!

24. Du, holder Knabe, aber rede nur ganz beherzt weiter! Es darf dir ja kein Leid zugefügt werden! Denn in dir scheint mehr Verstand zu sein als in diesem ganzen Tempel! Daher nur fortgeredet, mein holder Knabe!“

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