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Kapitel 60 Großes Evangelium Johannes, Buch 2

60. — Vom Nutzen der Leidenschaften

1. (Die Engel:) „Also wirst du finden, daß da verschiedene Leidenschaften die Menschen beherrschen. Der eine fühlt in sich das Bedürfnis, alles zu besitzen, was nur irgendeinen Wert hat; das ist offenbar Geiz, der ein Laster ist. Und siehe, diesem Laster hast du die Schiffahrt zu verdanken; denn nur überaus hab- und gewinnsüchtige Menschen konnte die lebensgefährliche Begierde anwandeln, Mittel zu finden, über das überweit gedehnte Meer zu schwimmen, um zu suchen, ob es über dem Meere auch noch Länder gäbe, die vielleicht von unerhörten Schätzen strotzen. Sie kommen nach vielen ausgestandenen Mühseligkeiten und Lebensgefahren wirklich in ein über dem Meere gelegenes, noch gänzlich unbevölkertes Land. Die ausgestandenen großen Gefahren haben ihre Habsuchtsleidenschaft sehr abgekühlt und haben sie mutlos gemacht für eine Rückfahrt; sie siedelten sich gleich dort an, wohin sie der Wind gebracht hatte, bauten sich Hütten und Häuser und bevölkerten auf diese Weise ein noch ganz menschenleeres Land. – Nun urteile selbst, ob die Menschen ohne die Leidenschaft der Hab- und Gewinnsucht je das fremde Land entdeckt hätten!?

2. Nehmen wir die Leidenschaft des fleischlichen Sinnlichkeitsgenusses. Denke du dir diese Leidenschaft ganz weg und stelle dir die Menschheit so himmlisch keusch als möglich vor, und du wirst an dem reinsten Jungfern- und keuschesten Junggesellenleben bis ins graue Alter ein lobenswertes Wohlgefallen haben. Denke dir aber nun alle Menschen in solch einem höchst keuschen Zustande und sage dir es selbst: Wie wird es dabei mit der in der Gottesordnung bedungenen Fortpflanzung des Menschengeschlechtes aussehen? Du siehst also hieraus, daß dem Menschen auch diese Leidenschaft innewohnen muß, ansonst die Erde nur zu bald menschenleer werden müßte! Daß ein und der andere Mensch in dieser Leidenschaft nur leider zu oft ausartet, wie es die tägliche Erfahrung lehrt, ist sicher wahr, und es ist solch eine Ausartung allzeit wider die Ordnung Gottes, und somit eine Sünde. Aber es ist die oftmalige Ausartung dieser Leidenschaft wider die göttliche Ordnung dennoch gleichfort um vieles besser als die allergänzlichste Ausrottung derselben.

3. Alle Kräfte aber, die dem Menschen gegeben sind und sich im Anfange als schwer zu zügelnde Leidenschaften kundgeben, müssen nach oben oder nach unten der höchsten Ausbildung fähig sein, ansonst der Mensch sowieso gleich einem lauen Wasser bleiben und in die stinkendste Trägheit versinken würde.

4. Wir sagen es dir: Nichts kann dir ein vollwahreres Zeugnis von der göttlichen Bestimmung des Menschen geben als die größten Laster gegenüber den höchsten Tugenden der Menschen; denn daraus erst ist ersichtlich, welch endlose Fähigkeiten den Menschen dieser Erde gegeben sind! Vom allerhöchsten Himmel Gottes, der sogar uns Engeln unzugänglich ist, bis zur tiefsten Hölle ist des Menschen Bahn; und wäre sie nicht, nie könnte er die Kindschaft Gottes erreichen!

5. Wir haben mit Menschen zahlloser anderer Welten zu tun; aber welch ein Unterschied zwischen hier und dort! Dort sind den Menschen in geistiger wie auch in naturmäßiger Hinsicht Schranken gestellt, über die sie höchst schwer einen Schritt tun können. Ihr Menschen dieser Erde aber habt im Geiste ebensowenig eine Beschränkung als der Herr Selbst und könnet tun, was ihr nur immer wollt. Ihr könnet euch erheben bis in die innerste Wohnung Gottes, aber eben darum auch so tief fallen als der Satan selbst, der einst auch der höchst freieste Geist aus Gott war; und da er fiel, mußte er auch in die tiefste Tiefe alles Verderbens notwendig fallen, aus der er kaum je einen Rückgang finden wird, weil dem Laster von Gott aus eine ebenso endlose Vervollkommnungsfähigkeit gegeben ist wie der Tugend.“

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