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Kapitel 224 Großes Evangelium Johannes, Buch 6

224. — Die Gegenrede des Pharisäers

1. Nach dieser Meiner Gegenrede wußte der Schriftgelehrte nicht, was er Mir darauf für eine Antwort hätte geben sollen; denn auf der einen Seite fühlte er sich zu sehr getroffen, und auf der andern Seite jubelte das Volk ganz laut über diese Meine gewaltige Gegenrechtsrede. Und so waren nun diese sieben Templer wie am Boden angenagelt, und nicht einer vermochte irgendein vernünftiges Wort Mir entgegen zu sagen. Dazu waren sie heimlich auch sehr erbost auf Mich geworden, weil Ich ihnen ohne alle Schonung die volle Wahrheit ins Gesicht gesagt hatte.

2. Aber nach einer Weile raffte sich der Pharisäer wieder zusammen und sagte: „Aber Herr und Meister, was Du uns da nun sagtest, das haben wir längst gewußt! Daß wir nicht anders handeln konnten, das wird Dir auch einleuchtend sein! Du könntest uns das alles und noch mehreres sagen, und wir würden uns nichts daraus machen, – aber nur auf eine andere Weise! Aber Du bringst diese Sache gerade so heraus, als ob wir selbst die letzten Bücher Mosis verworfen, und als ob wir die Propheten gesteinigt hätten! Wärest Du Selbst auch dem Leibe nach persönlich unter uns gewesen, so wäre es mit dieser Sache nie so weit gekommen; nun bist Du auf einmal gekommen, und da ist aber schon alles über alle Himmel hoch gefehlt, – und wir können doch das alles nicht von heute bis morgen ändern! Was zählen denn wir sieben gegen fünftausend unseresgleichen?!

3. Wir für uns werden im Tempel in der Folge nicht viel zu tun haben; aber schuld sind wir denn doch auch nicht allein, daß die Sachen eben also arg und schlecht stehen. Sage, was sollen wir denn in Hinsicht des Tempels nun anderes tun, als ihm auf eine gute Art den Rücken zukehren? Denn fangen wir morgen an, für Deine wahre und gute Sache zu reden, so werden wir morgen gesteinigt, und Deine Sache hätte dadurch nichts gewonnen; so wir aber nach der Meinung des Römers unter irgendeinem Vorwande Jerusalem und seinen falschen Lehren für immer den Rücken kehren, so meine ich, daß wir unter Annahme Deiner Lehre doch alles tun, was wir in unserer gegenwärtigen Lage als schwache sterbliche Menschen nur immer zu tun imstande sind, und mehr kannst Du selbst als ein Gott nicht von uns verlangen! Gib uns Deine Willensallmacht, und wir werden mit dem Tempel bald in der Ordnung sein! Aber daß Du nun uns, die wir an Dich glauben wollen, für unbeschreibbar schlecht, falsch und arg erklärst, das finde wenigstens ich nicht sehr löblich!“

4. Sagte Ich: „Meine Lieben, für die Blinden ist schwer schreiben und für die Tauben hart predigen! So Ich eure Sache, die auch noch sehr an eurer Person klebt, euch zu eurer Besserung vor die Augen stelle, meine Ich denn dann eure Personen?! Was Ich aber darstelle, das ist der Geist eurer Tempelsache, und der geht nicht nur euch, sondern alle Juden an.

5. Die Wahrheit ist des Geistes Sonne, und die muß rein und ohne alle Höflichkeitswolken allen Menschen scheinen! Die beleuchtete Wolke aber ist keine Sonne, und eine törichte Höflichkeit ist so gut wie eine geglättete Lüge, die niemand zum wahren Heile seiner Seele bringen kann. Darum soll jeder die Wahrheit offen reden, wenn er nützen will; denn mit einer halben Wahrheit ist niemandem gedient! Bei Mir gibt es keinen Rückhalt und keine Schonung, sondern nur Liebe und Licht! Und wäre Ich nicht also wahrhaftig, wie Ich bin, wo wäre dann der Himmel und diese Erde, und wo und was wäret ihr Menschen?! Ich bin aber nicht gekommen, um den Menschen zu schmeicheln, sondern sie die Wahrheit zu lehren und ihnen durch die Wahrheit zu geben das ewige Leben. Und dazu läßt sich keine Rückhaltigkeit und Schonung gebrauchen. – Bedenket zuvor das, dann sagt es erst, ob Ich hart gegen euch war!“

6. Sagte der Pharisäer: „Ja, Du hast da wohl ganz recht, und die Menschen sind Deiner Liebe nicht wert und können Dir von nun an nicht genug danken darum, daß Du im Fleische zu ihnen gekommen bist, um ihnen das rechte Licht zu geben und ihnen den wahren Weg zum ewigen Leben zu zeigen. Aber eins ist da dennoch von uns Menschen Dir gegenüber zu bemerken, und das besteht darin: Du bist also, wie diesmal, noch nie bei den Menschen gewesen und hast sie gelehrt, Dich, Deinen Willen und ihre Bestimmung zu erkennen. Immer waren es vielerfahrene und begeisterte Menschen – Propheten genannt –, die da angaben, von Deinem Geiste ergriffen zu sein; und nicht sie haben geredet, sondern nur Dein Geist durch ihren Mund. Sie taten zur Bekräftigung ihrer Aussagen auch Zeichen gar oft der außerordentlichsten Art, wie man solches in den Büchern liest; aber sie waren dennoch Menschen und mußten sterben, obwohl sie gar oft vom ewigen Leben sprachen und schrieben. Selbst Moses war davon nicht ausgenommen. Nur dem einzigen von Elias sagt die Schrift, daß er in einem feurigen Wagen in den Himmel aufgefahren ist und nur seinen Mantel seinem Jünger Elisäus (Elisa) zurückließ. Diese Geschichte aber geht dennoch ein wenig ins Unglaubliche über und kann nicht zu einer Norm dienen, weil man so etwas weder früher noch später von einem noch so großen Weisen erlebt hat.

7. Weil aber alle diese Propheten gestorben sind und nach ihrem Tode kein Mensch mehr von ihnen etwas erfahren konnte, so fingen die Menschen nach und nach an, stets mehr und mehr daran zu zweifeln, daß es nach des Leibes Tode noch ein Fortleben der Seele gibt, und sie schafften sich endlich selbst eine bequemere Lebensnorm, als jene war, welche die Propheten eingeführt und angeordnet hatten.

8. Wenn dann auch wieder ein Prophet im Volke aufstand und angab, daß Gott durch ihn rede, so ward man nur ärgerlich über solch einen und sagte zu ihm: ,Erweise dich zuvor als ein Unsterblicher gleich dem Elias!‘ oder ,Berufe die schon lange verstorbenen Väter und Propheten, daß wir sie sehen und sie uns ein lebendiges Zeugnis geben – erstens, daß es wahrhaft ein Leben nach dem Tode gibt und wie, und zweitens, daß du ein wahrer Prophet bist! Kannst du uns diesen Beweis nicht geben, so glauben wir dir sowenig, als wir jetzt und fürder den alten Propheten geglaubt haben und je glauben werden; denn sie sind gestorben, so wie auch du sterben wirst, und niemand hat nach ihrem Tode je mehr etwas von ihnen erfahren. Wir haben wohl ihre Schriften aufbewahrt, aber sie verschlang der nie zu sättigende Erdboden. Was nützen uns aber ihre Schriften voll Lehren vom ewigen Leben, wenn sie als Lehrer nach ihrem Tode uns nicht den sichersten Beweis liefern können, daß ihre Lehren Wahrheit sind?!‘

9. Siehe, Herr und Meister, so haben mit der Zeit die Menschen zu denken und auch zu handeln angefangen und haben die Propheten auch getötet, so diese gewöhnlich nicht nachließen, ihnen allerlei Strafen Gottes zu verkünden! Warum ist denn das nicht zugelassen, daß ein verstorbener Prophet zuzeiten wieder auf diese Erde kommt und mit seinem Erscheinen von dem Zeugnis gibt, was er im Fleische auf der Welt gelehrt hat? Und warum wird der Unglaube der Menschen stets ihnen zur Schuld gerechnet?

10. Wenn nur ein Mal jemand käme – freilich wohl auf eine Weise, daß man ihn als den wohl erkennen müßte, der er auf der Erde im Fleische war, so würde das den Glauben festen, und die Menschen würden dann auch sicher nach seiner Lehre leben. Aber das ist unseres guten Wissens noch nie geschehen, und so ist es auch ganz natürlich, daß die Menschen stutzig und ungläubig werden. Daß nun und schon seit lange her der Tempel nahe ganz antimosaisch geworden ist, davon liegt der Grund hauptsächlich in dem von mir Gesagten wie auch darin, daß die von uns getrennten Sadduzäer ganz offen an keine Unsterblichkeit der Seele mehr glauben. Und wer kann ihnen aus einem vernünftigen Grunde, strenggenommen, unrecht geben? Und so sind die Templer eigentlich denn doch nicht ganz allein schuld an der Argheit, die nun im Tempel waltet, sondern die alte Beweislosigkeit für ein Leben nach des Leibes Tode. Fehlen dafür haltbare und sichere Beweise, so fällt auch der Glaube an einen Gott von selbst weg; und glaubt man auch noch an ein Dasein Gottes, so hat man doch keine rechte Achtung und Liebe zu Ihm und betrachtet Seine den Menschen gegebenen Gebote als eine Erfindung der Menschen, die zu einer gewissen Zeit und für ein damals gewesenes Lebensverhältnis der Menschen recht gut sein mochte, aber für die Gegenwart kaum mehr anwendbar ist. Ich sage das nicht darum, um etwa uns hier und den Tempel beschönigen zu wollen; aber eine Unwahrheit ist es eben auch nicht, daß es also war und nun auch noch also ist.

11. Du, Herr und Meister, ausgerüstet mit aller Fülle des Geistes Gottes, bist uns nun freilich wohl der kräftigste Beweis und Bürge für ein ewiges Leben der Seele nach dem Tode; aber außer uns gibt es noch zahllos viele Menschen, die dieses kräftigsten Beweises immer entbehren werden. Kann es ihnen etwa zu einer Schuld gerechnet werden, wenn sie an kein ewiges Leben nach des Leibes Tode glauben und etwa die Sonne oder das Feuer als eine Gottheit anbeten? Wäre es da denn nicht möglich, daß wenigstens die verstorbenen Eltern zu ihren Kindern kämen und ihnen sagten, was sie nach dem Abfalle des Leibes zu erwarten haben, was die Seele ist, und wie sie aussieht?

12. Aber so etwas geschieht nicht, und so ist denn alles über das Jenseits Gesagte eine Art Fabel, an die nur ein schwachsinniger Mensch glauben kann, die aber ein tiefer Denkender nie völlig als eine Wahrheit annehmen kann! Und wir Priester tun sogar etwas Gutes, wenn wir das Volk in der möglichst größten Blindheit erhalten und ihm allerlei nach dem Jenseits duftende Spektakel mit großem Pomp und Ernste vormachen. Denn würden wir unsere tiefere Verstandesbildung dem Volke geben, so wäre es mit dem Judentume bald zu Ende, und die Menschen würden sich bald in einem unbeschreibbar gräßlichen Zustande befinden.

13. Wir Priester allein halten das Volk im Zaume und eifern es an, die Erde fleißig zu bearbeiten und uns den Zehent gewissenhaft zu geben, – und es ist damit zufrieden. Aber freilich hat diese Zufriedenheit dann bald ein Ende, wenn ungebetene Propheten alle Augenblicke im Volke erscheinen und es gegen uns aufwiegeln. Ich meine hier nicht Dich, Herr und Meister, da Du kein Prophet, sondern der Herr Selbst bist; nur solche Propheten meine ich, wie ich sie ehedem angezeigt habe.

14. Habe ich nun recht geredet und die Sache unseres Glaubens, wie er ist, der Wahrheit nach beleuchtet oder nicht? Ich werde für eine jede bessere und wahrere Belehrung jedermann gewiß sehr dankbar mich erweisen; denn es ist durchaus kein Scherz, stets an den Tod und an die sichere und ewige Vernichtung zu denken, gegen die man in aller Welt keinen Gegenbeweis finden kann. Denn alles stirbt und vergeht und kommt nicht wieder. Sogar der Stein verwittert und löst sich in den flüchtigen Staub auf, aus dem kein harter Stein mehr wird, wie auch kein Mensch je mehr aus dem Grabe auferstehen wird an irgendeinem jüngsten Tage, obwohl wir solches das Volk lehren müssen! – Ich habe geredet.“

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