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Kapitel 1 Großes Evangelium Johannes, Buch 8

Der Herr und Seine Widersacher. (Ev. Joh. Kap. 9)

1. — Verkleidete Pharisäer kommen zu Lazarus

1. Als Ich noch kaum die letzten Worte ausgesprochen hatte, da kam schon ein Diener des Lazarus in den Speisesaal, in dem wir noch gar wohlgemut beisammensaßen, und sagte zu ihm, daß mehrere Fremde angekommen seien und mit dem Herrn der Herberge zu sprechen wünschen.

2. Da fragte mich alsbald Lazarus, was er nun machen solle.

3. Sagte Ich: „Du bleibst gleich uns vorderhand hier! Nur Raphael und die sieben Ägypter werden hinausgehen und mit den verschmitzten Pharisäern und Schriftgelehrten eine kleine Abhandlung halten. Was sie zu tun und zu reden haben, das wissen sie!“

4. Hierauf begaben sich Raphael und die sieben Oberägypter sogleich hinaus, und Raphael fragte sie mit ernsten Worten, was sie hier suchten und wollten.

5. Da sprach ein höchst heuchlerischer Pharisäer: „Junger Mensch, der du von guter Abkunft zu sein scheinst, bist du ein Abgeordneter des Lazarus, den wir kennen, und mit dem allein nur wir reden wollen? Es ist das eine sonderbare Sitte nun hier geworden, daß der Gerufene an seiner Stelle denen, die nur den Herrn sprechen wollen, einen unbärtigen Knaben entgegensendet! Gehe du hin zu Lazarus, den wir sprechen wollen, und sage ihm, daß wir, die ihn sprechen wollen, wohl in Jerusalem und in allen Landen der Juden einen viel höheren Rang einnehmen als er!“

6. Sagte Raphael: „Wenn ihr denn schon gar so große Herren seid, so wundert es mich wahrlich, daß ihr, verkleidet, im schon ziemlichen Dunkel des Abends euch hier herauf auf diesen von euch in den Bann gelegten Berg und Ort begeben habt! Heißt es nicht also in eurem Fluche: ,Wer von den Juden diesen Berg betritt zur Tages- oder Nachtzeit, der sei verflucht an Leib und Seele!‘? Wenn aber also, wie mochtet ihr selbst euch heraufbegeben, um mit dem Ketzer Lazarus zu sprechen?“

7. Sagte der Pharisäer: „Was verstehst du unbärtiger Knabe von dem? So wir die Macht von Gott haben, einen Ort aus guten Gründen in den Bann zu tun, so haben wir auch die Macht, ihn zum wenigsten für uns aufzuheben, wann wir wollen; denn wir stehen nicht unter dem Gesetz, sondern über demselben, so wir das sind, was du meinst. – Hast du das verstanden?“

8. Sagte Raphael: „Höret! Wenn ihr euch dünket, über dem Gesetze Gottes zu stehen, da seid ihr dann ja doch offenbar mehr als Gott Selbst! Denn Gott Selbst fügt Sich ewig in Seine ewigen Ordnungsgesetze und handelt niemals wider dieselben und hebt darum auch ewig nie ein Gesetz auf – etwa aus dem Grunde, um zeitweilig Selbst, so es Ihn gelüstete, wider das Gesetz zu handeln.

9. So ihr euch aber dazu zur Genüge machthabig dünket, da steht ihr ja weit über Gott; denn Gott Selbst, als das Urgesetz, besteht und handelt stets in Seinem Gesetz und steht sonach in und unter Seinem Gesetz. Wenn aber Gott Selbst das ewig auf das allerstrengste beachtet, wer gab demnach euch das Recht, euch übers Gesetz zu stellen, euch zu verkleiden, damit man euch nicht erkennen möchte, wie und wann ihr selbst euer Gesetz übertretet? So ihr Herren über das Gesetz seid, wozu dann eure Furcht, vom Volke erkannt zu werden, so ihr wider eure Gesetze handelt?“

10. Sagte ganz unwillig der Pharisäer: „Was verstehst du unbärtiger Knabe von diesen höheren Dingen, über die allein die Priester des Tempels zu urteilen von Gott das Recht haben?“

11. Sagte Raphael: „So, – warum hatte denn Samuel schon als Knabe das Recht, mit Gott zu reden und über göttliche Dinge zu urteilen?“

12. Sagte der Pharisäer: „Wie magst du dich erkühnen, dich mit Samuel zu vergleichen?“

13. Sagte Raphael: „Wie erkühnet denn ihr euch, euch über Gott und Seine Gesetze zu stellen? Wer gab euch das Recht dazu! Wahrlich, ich habe ein tausendfach größeres Recht, mich mit Samuel zu vergleichen, als ihr, euch über Gott und Seine Gesetze zu stellen!

14. Aber nun habe ich eure Dummheit satt! Gebet mir Antwort auf meine erste Frage, warum ihr nun hier herauf gekommen seid, und was ihr hier wollet, sonst sollet ihr mich bald näher kennenlernen und daraus ersehen, was mich berechtigt, mich aus gar guten und wahren Gründen mit Samuel zu vergleichen!“

15. Sagte der Pharisäer: „Das ist ein Geheimnis, welches wir niemand anderem als nur dem Lazarus anvertrauen können; darum hole uns den Lazarus heraus, sonst sind wir genötigt, mit Gewalt ins Haus zu dringen! Dich aber geht unser Anliegen an den Lazarus gar nichts an, und wärest du auch ein zehnfacher Samuel!“

16. Sagte Raphael: „Was? Ihr habt ein Geheimnis? Wie aber kann das ein Geheimnis sein, was die Sperlinge von den Dächern schon jedermann verkünden! Ich werde euch aber euer Geheimnis hier kundgeben, damit ihr daraus entnehmen könnet, daß euer vermeintes Geheimnis schon seit lange her kein Geheimnis mehr ist.

17. Seht, ihr habt in eurem Rate beschlossen – weil die von euch gestern Ausgesandten euch keine Nachricht über den Aufenthalt des euch so sehr verhaßten Propheten aus Galiläa haben bringen können, und das aus dem höchst einfachen Grunde, weil sie selbst nicht wieder zurückgekehrt sind –, erstens euch hier auf eine schlaue Weise zu erkundigen, ob etwa Lazarus hier anwesend sei, und ob er nicht wüßte, wohin etwa der Prophet gezogen ist, und zweitens, wenn Lazarus etwa nicht mehr anwesend sein sollte, den Wirt oder einen anderen Diener zu bestechen, daß er euch möglicherweise eine erwünschte Auskunft gäbe! Erhieltet ihr diese, so würdet ihr dann sogleich alle eure euch noch treu gebliebenen Häscher aussenden, um den euch so sehr verhaßten Propheten fangen und auch alsogleich töten zu lassen.

18. Sehet, das ist euer gar sehr löbliches Geheimnis, das uns, und besonders mir, der ich ein größter Freund des erhabensten Propheten bin, schon seit lange her nur zu gut bekannt ist! Und nun redet wahr und treu, ob sich die Sache irgend anders verhält!“

19. Hierauf sah der Pharisäer den Raphael groß an und sagte nach einer Weile: „Wer gibt dir, du unbärtiger Junge, das Recht, uns also zu verdächtigen? Erstens weißt du noch nicht, ob wir wohl im Ernste dem Tempel angehören, und ob wir Juden sind, und zweitens sagen wir, daß wir von deinem großen Propheten kaum etwas wissen! Wir haben auf unserer Reise hierher wohl hie und da etwas vernommen, daß im Judenlande ein großer Magier sich bemerkbar mache durch seine Künste oder Zaubereien, ob er aber ein Freund oder Feind der Judenpriester ist, oder ob diese ihn verfolgen, das ist uns wahrlich sicher ganz gleichgültig! Wir sind Handelsleute und kümmern uns sicher um derlei Kleinigkeiten niemals! Wenn aber also, wie kannst du uns Dinge vorhalten, die uns noch nie gekümmert haben?“

20. Sagte Raphael: „So, weil euch nun das Wasser zum Munde hineinzurinnen anfängt, so möchtet ihr nun sogar euren Stand verleugnen; aber es geht das vor mir und diesen meinen sieben Gefährten mit dem Verleugnen sogar eures Charakters und Standes durchaus nicht! Damit ihr aber das einsehet und noch besser begreifet, daß ihr euch vor uns unmöglich verstellen könnet, so werde ich mir nun die Freiheit nehmen und werde euch eurer griechischen Überröcke berauben, auf daß ihr dann in euren Tempelkleidern vor uns steht; dann werdet ihr sicher nicht mehr zu leugnen imstande sein, daß ihr das seid, als was ich euch bezeichnet habe!“

21. Hier griffen die Pharisäer nach ihren Überröcken und hielten sie fest, – aber es nützte das nichts; denn Raphael gebot in seinem Willen, und die Templer standen sogleich in ihren nur zu wohlbekannten Priesterkleidern da und machten Miene, die Flucht zu ergreifen. Aber die sieben Oberägypter waren schnell bei der Hand, verstellten ihnen den Weg und bedeuteten ihnen, stehenzubleiben und keinen Schritt irgend zum Entfliehen zu versuchen; wenn sie dem Verlangen nicht gehorchten, würde es ihnen gar übel ergehen.

22. Um diesem Mandate mehr Gewicht zu verschaffen, zeigten sie den nun schon sehr geängstigten Pharisäern drei große Löwen, die etwas tiefer unten am Wege lagerten und sich gar grimmig gebärdeten. Dieses Mittel wirkte, und die Pharisäer – zehn an der Zahl – fingen an, Raphael um Vergebung zu bitten, und gestanden nun auch gleich alles ein, warum sie auf den Ölberg gekommen seien, und sagten auch, daß er die Wahrheit geredet habe.

23. Als sie nun also dastanden in großer Angst, da sagte Raphael zu ihnen: „Saget mir nun: Wer von allen Menschen ist wohl schlechter noch als ihr? Ihr wollt Diener Gottes sein, seid aber Diener der Hölle! Welcher Teufel hat euch wohl gezeugt? Der große Meister aus Nazareth hat euch durch Worte und Taten mehr als sonnenklar gezeigt und bewiesen, daß Er der verheißene Messias ist und als solcher auch der alleinige Herr Himmels und der Erde – wie das von Ihm auch geweissagt ist durch den Mund aller Propheten –, und ihr glaubet nicht nur nicht daran, sondern verfolget noch mit aller Wut und Gier den Herrn Himmels und der Erde! O ihr ohnmächtigen Toren! Was wollet ihr denn ausrichten gegen die Gewalt des Allmächtigen, der euch mit dem leisesten Gedanken vernichten oder eure argen Seelen in die Hölle werfen kann, die ihr schon lange verdient habt? Was wollet ihr Elenden nun tun?“

24. Sagte ein anderer Pharisäer: „Höre, du junger weiser Redner, wir bitten dich nun um nichts Weiteres, als daß du uns wieder unversehrt hinab in die Stadt kommen lässest, und wir geben dir die vollste Versicherung, daß wir als nun Hierseiende uns nimmerdar an der Verfolgung des wundersamen Propheten aus Galiläa irgend im geringsten beteiligen werden! Ja, wir wollen und werden sogar den andern nach Möglichkeit davon abraten! Ob wir aber unsere Amtsgenossen gegen den Wundermann werden geneigter machen können, dafür können wir dir freilich nicht gutstehen; aber daß wir unser möglichstes aufbieten werden, um die Verfolgungswut unserer Genossen zu dämpfen, dafür stehen wir euch gut! Denn wir haben es jetzt erfahren und uns selbst überzeugt, daß unsere blinde Verfolgung des Galiläers eine der größten Torheiten ist, die zu gar nichts anderem als nur zu unserem Untergange führt. Und so wollen und werden wir auch das tun, was wir dir hier gelobt haben; aber nur laß du uns, wie wir dich schon gebeten haben, unversehrt die Stadt wieder erreichen!“

25. Sagte darauf Raphael: „Wohl denn! – Ihr könnet wieder abziehen, und es soll euch kein Leides geschehen; aber wehe jedem von euch, der sein hier mir gegebenes Wort brechen wird! Denn das merket euch, daß Gottes Macht, Weisheit, Allwissenheit und Ernst unendlich ist und der schwache sterbliche Mensch gegen Gott und Seine Wege ewig nichts ausrichten kann und wird!

26. So ihr aber alle leicht sehet und auch wohl begreifen könnet, daß Werke, die der Gesalbte Gottes vor den Menschen verrichtet, stets derart sind, daß sie nur Gott allein bewirken kann, so werdet ihr auch einsehen, daß eben Gott Selbst innigst vereint mit dem euch so verhaßten Propheten aus Galiläa waltet und wirkt, und daß es übertöricht ist, sich den Anordnungen Gottes zu widersetzen!

27. Saget das auch euren argen und blinden Genossen! Sie können ihre Wut gegen Ihn auch so weit steigern, daß sie – durch Seine Zulassung – Hand legen an Seines Leibes Leben und es töten, so werden sie damit dennoch nichts anderes erreichen als die Beschleunigung des Gerichtes über sich und ganz Jerusalem. Er aber wird nicht getötet werden können, weil Er das Leben Selbst ist, sondern Er wird fortleben und richten alle Geschlechter der Erde. Wohl dem, der an Ihn glaubt und nur Sein Wohlgefallen und Seine Freundschaft sucht!

28. Nun wisset ihr, was ihr zu tun habt, und könnet nun abziehen, so ihr wollet; wollet ihr aber zuvor jetzt noch mit Lazarus ein weises Wort reden, so soll euch das nun auch gestattet sein.“

29. Sagte ein Pharisäer: „So er hier ist, möchte ich mit ihm wohl reden, doch von etwas ganz anderem, als was wir ihn eigentlich haben fragen wollen. Denn warum wir heraufgekommen sind, das hast du uns nur zu klar vorgehalten; von dem aber soll bei uns nun keine Rede mehr sein, sondern von etwas ganz anderem! Wenn wir demnach mit Lazarus ein Wort reden könnten, so wäre uns das wohl sehr lieb!“

30. Hierauf sagte Ich zu Lazarus im Saale: „Nun erst kannst du hinausgehen und etliche gute Worte wechseln mit den sehr geängstigten Pharisäern; doch von Meinem Aufenthalte rede nichts!“

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