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Kapitel 3 Die geistige Sonne, Buch 1

(Am 25. November 1842 von 4 bis 6 1/2 Uhr Abends.)

1. Also ihr habet eine Uhr gewählt; dieses Beispiel ist besser, als ihr es zu denken vermöget; denn auch Ich hätte also einen Zeitmesser genommen. Daher wollen wir nun dieses Beispiel alsogleich etwas kritisch durchnehmen, und es wird sich dann alsbald zeigen, ob es uns um eine Stufe höher, denn das vorige bringen wird.

2. Wenn ihr also eine Uhr betrachtet, so erblicket ihr auf diesem kleinen zeitmessenden Werkzeuge lauter cultivirte Materie. Ihr sehet einen wohlberechneten Mechanismus, der also beschaffen ist, daß da ein Triebrad mit seinen Zähnen in die Zähne eines anderen Rades greift. – Ihr sehet, wie das ganze Rädertriebwerk mittelst einer verhältnißmäßig starken Kette mit der elastischen Feder verbunden ist, welche dann das ganze Werk durch ihre innewohnende Kraft in die zweckmäßige Bewegung setzt. Wenn wir dieses ganze Werkchen noch näher in den Augenschein nehmen, so entdecken wir noch eine Menge Ristchen und Häkchen in selbem; Alles ist berechnet und hat seine Bestimmung.

3. Haben wir das innere Werk einmal recht beschaut, so können wir uns zur Besichtigung der äußeren Gestalt verfügen. Was erblicken wir da? Ein flaches Zifferblatt und ein Paar ganz einfache Zeiger darüber. – Was verrichten diese Zeiger auf dem ganz einfachen Zifferblatte? – Sie zeigen, wie ihr wißt, die Stunden des Tages und der Nacht an, und messen somit die Zeit. Diese Zeit, die von diesen Zeigern gemessen wird, ist doch sicher etwas Allumfassendes, und ist auch etwas Allesdurchdringendes, und ist auch das Centrum allenthalben, wo ihr nur immer hinblicken wollet; denn es kann Niemand sagen: Ich bin am Ende der Zeit, oder: Die Zeit hat mit mir nichts zu schaffen, oder: Die Zeit umgiebt mich nicht. – Denn so oft Jemand Etwas thut, so thut er es in der Mitte der Zeit; – warum denn? – Weil er von der Zeit allezeit durchdrungen, und allenthalben gleich umfaßt wird. Solches zeigt uns auch die Uhr; im Centrum des Zifferblattes sind die Zeiger angebracht, und beschreiben mit ihren Enden einen genauen Kreis. Da sie aber vom Centrum aus bis zu dem beschriebenen Außenkreise ununterbrochen als eine concrete Materie fortlaufen, so beschreiben sie vom Centrum aus eine zahllose Menge von stets größer werdenden Kreisen; – also ist es ja klar und ersichtlich, daß solche Kreisbeschreibung vom Centrum des Stiftes, daran die Zeiger befestiget sind, ausgeht, sonach die ganze Zifferblattfläche durchdringt, und am Ende von derjenigen Zeit, die sie mißt, wie von einem endlos großen Kreise umfaßt wird.

4. Gehen wir aber wieder zurück auf unser inneres Uhrwerk, da werden wir entdecken eine unbewegliche Ober- und Unterplatte, unbewegliche Säulchen, durch welche die Ober- und Unterplatte mit einander befestiget sind; also werden wir auch entdecken eine Menge unbeweglicher Stiftchen, Häkchen und Stellschräubchen. Liegt wohl in diesen unbeweglichen Dingen auch schon Etwas von der endlichen Bestimmung des Werkzeuges, welche sich über dem Zifferblatte ausspricht? – Ja, auch in diesen unbeweglichen Theilen liegt die endliche Bestimmung wie stumm ausgesprochen zu Grunde.

5. Wenn wir aber ferner in das Uhrwerk blicken, so sehen wir ein verschiedenartiges Bewegen der Räder; für’s Erste ein munteres Perpendikelchen, sodann sein nächstes Rad. Das Perpendikelchen ist noch sehr ferne von der Hauptbestimmung; denn es mag noch keinen vollständigen Kreis beschreiben, sondern es wird stets hin und her getrieben, und kommt trotz seiner im ganzen Werke schnellsten Bewegung dennoch nicht weiter. Das nächste Rad, welches offenbar von dem sich viel zu schaffen machen wollenden Perpendikel beherrscht wird, lauert die lustigen Sprünge des Perpendikels ab, und schlüpft bei jedem Sprunge eine Stufe weiter in seinem Kreise, und macht darum schon eine, wenn auch noch ziemlich schnelle, aber dennoch eine fortwährende Kreisbewegung. Man merkt dieser Bewegung wohl noch das Hüpfen des Perpendikels an; aber dieses schadet der Sache nichts, die kreisförmige Bewegung ist dennoch gewonnen. Das nächste Rad nach dem Perpendikelrade bewegt sich schon viel gleichartiger, beschreibt einen ruhigen Kreis, und ist der Hauptbestimmung um Vieles näher. – Das demnächste Rad bewegt sich noch viel langsamer, gleichartiger und ruhiger, und ist der Hauptbestimmung darum auch schon um Vieles näher; ja es greift schon völlig in dieselbe. – Das letzte Rad ist schon an der Bestimmung selbst, drückt dieselbe in seiner mechanischen Bestimmung schon aus; aber dieselbe kann noch nicht in dem Mechanismus erkannt werden.

6. Aber eben allda, da sich gewisserart verborgener Maßen die Hauptbestimmung schon im materiellen Mechanismus ausspricht, dringt aus dem Centrum des Mechanismus eine Spindel hinaus über das Zifferblatt, auf welcher Spindel die Zeiger angebracht sind, und endlich in ihrer größten Einfachheit die einige Bestimmung des ganzen künstlich zusammengesetzten mechanischen Werkes ausdrücken.

7. Sehet ihr nicht schon recht klar, wohinaus sich die ganze Sache drehen will? – Alles noch so Mannigfaltige und Zusammengesetzte zeigt in sich ja die endliche Einung zu einem Hauptzwecke; und ein unansehnlichstes Stiftchen darf nicht fehlen, wenn der letzte Zweck vollends sicher erreicht werden soll.

8. Nun gehen wir wieder auf unsere Sonne über; – sehet an diese große goldene Uhr als Messer von für euch undenklichen Zeiten. Wir haben den verschiedenen Mechanismus dieser riesigen Uhr gesehen; wir sahen, daß auch hier Meine Liebe die allmächtige lebendige Triebfeder ist, welche innerhalb der zwei großen Platten, die da die Ewigkeit und Unendlichkeit heißen, dieses große Werk in die Bewegung setzt. Wir haben alle die zahllosen Triebräder gesehen, und alle die Stiftchen und Säulchen; wir kennen nun das mechanische Werk, aber aus der Verschiedenartigkeit von dessen Theilen läßt sich die endliche Hauptbestimmung eben so schwer erkennen, als so da Jemand wollte ohne Beachtung des Zifferblattes bloß nur allein durch die Betrachtung der verschiedenartigen Bewegung des Räderwerkes die stundenweisen Abschnitte der Zeit genau bestimmen. – Solches wäre richtig, und läßt sich nichts dagegen einwenden, möchte so Mancher sagen; aber die Frage geht nur dahin: Wie kommen wir denn bei diesem großen Mechanismus auf die Centralspindel, welche sich aus dem Materiellen erhebt, und hinaus ragt über das große Zifferblatt der endlichen einigen großen Bestimmung? – Ich sage euch aber: Deß sei uns nicht bange; denn nichts ist leichter zu bewerkstelligen, als gerade Das, wenn man schon ein Werk zuvor also durchblickt hat, daß einem alle Bestandtheile im Wesentlichsten bekannt sind. – Da wir aber schon einmal die Uhr als ein gutes Beispiel gewählt haben, so wollen wir eben auch mit diesem Beispiele uns zur großen Oberfläche erheben.

9. Wer je eine Uhr betrachtet hat, der wird zumeist gefunden haben, daß drei Dinge in derselben eine nahe ganz gleiche Bewegung haben. Das erste Ding ist das Kapselrad, in dem die Triebfeder verschlossen ist, das zweite ist dann das Haupttriebrad, welches mittelst der Kette mit dem Federkapselrade verbunden ist, und das dritte ist das Centralspindelrad, welches die Zeiger über dem Zifferblatte in die Bewegung setzt.

10. Wollen wir auf’s große Zifferblatt hinaus gelangen, so müssen wir sehen, Wem diese drei Räder entsprechen? – Wem entspricht denn das Federkapselrad? – das ist ja mit den Händen zu greifen, daß solches der Liebe entspricht; daß da die Feder die Liebe vorstellt, indem sie verschlossen ist, und gewisserart von Innen aus das Leben des ganzen Werkes bewirkt. – Also liegt demnach in der Liebe schon die ganze Hauptbestimmung des Werkes ganz einig und vollkommen zu Grunde.

11. Wem entspricht denn das zweite Rad von gleicher Bewegung, welches mit dem Federrade mittelst einer Kette verbunden ist? – Dieses Rad entspricht der Weisheit, welche aus der Liebe ihr Leben empfängt, und somit auch mit derselben in engster Verbindung steht. – Wem entspricht das Hauptcentralspindelrad? – Der ewigen Ordnung, welche aus den erstbenannten zwei Rädern lebendig hervorgeht, und das ganze Werk in all’ seinen Theilen also einrichten läßt, daß endlich Alles sich zur Erreichung desjenigen Hauptzweckes fügen muß, der sich aus der Liebe und Weisheit eben in dieser Ordnung ausspricht. – Sehet, jetzt haben wir schon das Ganze; das Spindelrad ist gefunden – denn es heißt die Ordnung, und auf dieser Spindel wollen wir demnach auch aufwärts klettern, und endlich erschauen die große endliche Bestimmung der Dinge, wie sich dieselbe genau entsprechend ausspricht der ewigen Liebe, Weisheit und der aus diesen Zweien hervorgehenden Ordnung gemäß.

12. Nun hätten wir ja vollkommen mit dem Beispiele unseren Zweck erreicht, und wir befinden uns darum auch schon auf der geistigen Sonne, ohne daß ihr es noch ahnet und einsehet, wie und auf welche Art? – Ich aber sage euch: Gehet nur einmal flüchtig die gegebenen Beispiele durch, und ihr werdet es vom Anbohren der Bäume angefangen bis endlich zur Uhr recht leicht finden, daß wir uns gewisserart incognito eben mit diesen Beispielen auf der geistigen Sonne recht munter herum bewegen, während ihr noch immer harret auf dieselbe zu gelangen. Wir sind schon am Zifferblatte, und brauchen somit nicht mehr an der Spindel herauf zu klimmen.

13. Aber ihr fraget: Wie denn? Die Sache klingt wie ein Räthsel. – Ich aber sage: Wo die Bedeutung der Dinge, wenn auch noch mehr im Allgemeinen, denn im Sonderheitlichen gezeigt wird, – wo es gezeigt wird, wie endlich Alles auf die Einung ankommt, – wo sogar diese Einung durch allerlei anschauliche Beispiele dargestellt wird, da scheint nicht mehr die naturmäßige, sondern die geistige Sonne. – Die Folge aber wird es in das klarste Licht stellen, und wir werden daraus ganz klar ersehen, daß wir uns schon auf der geistigen Sonne befinden.

14. So Jemand eine Fackel in der Hand hält, so wird er doch auch wissen, wozu die Fackel gemacht ist. Wenn er noch in der Dunkelheit wandelt, was ist wohl leichter, als sich im Besitze einer Fackel zu helfen? - Man zünde nur die Fackel an, und sobald wird die Dunkelheit in Blitzesschnelle verschwinden. – Wir aber haben ja die Fackel in der Hand; die gegebenen Beispiele sind die Fackel, was braucht es hernach mehr, als diese überhell leuchtende Fackel mit einem kleinen Funken der Liebe anzuzünden, und das große, bedeutungsvolle Zifferblatt der geistigen Sonne wird sobald erhellt sein. – Darum werden wir auch für die nächste Gelegenheit nichts Anderes thun, als unsere gute Fackel mit der Scintilla amoris anzünden, und bei diesem herrlichen Lichte beschauen die große Bedeutung der Dinge auf der geistigen Sonne; – und so denn lassen wir es wieder heute bei Dem bewendet sein!

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