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Kapitel 1 Die geistige Sonne, Buch 2

Rückkehr zum hauptmittägigen Himmel. Die Wohnung des Herrn und dessen Tragung durch den Prior

(Am 29. April 1843 von 5 1/4 – 7 Uhr abends.)

1. Seht, da vor uns liegt schon wieder jenes wohlbekannte Hügelland mit den kleinen, niedlichen Wohnhäusern. Aber diesmal erscheint es in einem noch helleren Licht als die vorigen Male. Der Grund davon ist, weil die Liebe dieser drei überaus mächtig und groß ist zum Herrn.

2. Seht, wie der Herr Selbst in Seiner höchsten Schlichtheit diesen dreien alle die Wunderherrlichkeiten des hauptmittägigen Himmels erklärt und zeigt ihnen an, wer und woher alle die seligen Einwohner in dieser Gegend sind. Auf der Erde hätte solch eine Erklärung auf unseren Prior sicher eine sehr ketzerisch aussehende Wirkung gemacht, da namentlich diese überaus herrliche und endlos weitgedehnte himmlische Gegend nahe von lauter Protestanten bewohnt ist. Aber jetzt ist er in einem ganz anderen Licht und kann über jede Äußerung des Herrn Seine unendliche Güte, Liebe und Erbarmung nicht genug loben und preisen.

3. Wir sind bei dieser Gelegenheit auch schon wieder an unseren wohlbekannten Fluss gekommen, und der Herr, allda etwas innehaltend, spricht zum Prior, somit auch zu seinem Weib und dem Laienbruder: Siehe, hier ist die Grenze zwischen Morgen und Mittag. Du kannst hier an Meiner Seite beide Gegenden schauen. Aber diejenigen, die hier wohnen, vermögen solches noch nicht. Nur die von ihnen bewohnte Gegend mögen sie erschauen, und das in großer Klarheit, aber die Gegend des Morgens mögen sie nicht anders erschauen denn als eine rötliche Glorie, welche über ein fernes überhohes Gebirge zu ihnen herabstrahlt. Da du aber nun die beiden Gegenden siehst, so sage mir, in welcher Gegend meinst du wohl, dass Ich hierorts wohne?

4. Der Prior, sich ein wenig umsehend und am linken Ufer des Stromes eine große Stadt erblickend, spricht: O Du allerliebevollster Vater! Dort am Strom, sicher voll des lebendigsten Wassers, wird wohl Dein himmlisches Jerusalem stehen, von welchem geschrieben steht, dass sie ist die Stadt des lebendigen Gottes. Demnach wäre es vielleicht nicht zu weit fehlgeworfen, wenn ich sage, Du wohnst in dieser heiligen Stadt; denn so etwas unnennbar heilig-großartig Erhabenes kann sich doch ja wohl sicher kein geschaffener Engelsgeist in Ewigkeiten mehr denken, wie da ist eben diese heilige Stadt!

5. Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Freund und Bruder! Du hast eben nicht so fälschlich geraten, denn in solchen Städten, deren Zahl längs dieses ewig weit gedehnten Stromes kein Ende hat, pflege Ich nicht selten bei gewissen Gelegenheiten Mich einzufinden. Aber so ganz eigentlich zu Hause bin Ich da mitnichten, außer in der Sonne, die du ersiehst, durch welche Ich wohl in allen Himmeln gleicherweise zu Hause bin. Daher magst Du weiter raten.

6. Der Prior spricht: So wirst Du, o Herr und liebevollster Vater, vielleicht wohl in einem oder dem anderen jener großen Wunderpaläste zu Hause sein, also sichtbar wie jetzt, denn Du hast ja Selbst von einem großen Haus in den Himmeln gesprochen, darinnen viele Wohnungen seien. Da aber in einem solchen nahe unübersehbar großen Palast doch auch sicher sehr viele Wohnungen sein werden, so könntest Du wohl etwa in einem allergrößten unter den endlos vielen zu Hause sein?

7. Der Herr spricht: Ich sage dir, Mein lieber Sohn, Bruder und Freund! Auch hier hast du die Sache eben nicht gar zu fälschlich beraten, denn fürwahr, wie in den Städten, also pflege Ich Mich auch bei großen Gelegenheiten in diesen großen Wohnhäusern persönlich wesenhaft einzufinden. Aber für beständig und für eigentümlich bin Ich auch in diesen großen Wohnhäusern nicht anders wie in den Städten gegenwärtig; daher magst du dich noch einmal beraten.

8. Der Prior spricht: O heiliger, liebevollster Vater! Mir geht jetzt ein Licht auf, indem Du Dich stets auf der Welt nur den Kleinen und Unbedeutenden also liebevollst und zutraulich genähert hast, so wirst Du vielleicht auch hier dort eine Wohnung haben, da auf jenen Hügeln uns kleine niedliche Wohnhäuser gar so gastfreundlich anlächeln. Da aber diese kleinen Wohnhäuser alle sich völlig gleichen, so dürfte es mir wohl schwerfallen, aus den vielen das eigentlich rechte zu bestimmen; und das nächste beste zu nehmen, das käme mir vor Dir, o Herr, Deiner etwas unachtsam und unwürdig vor.

9. Der Herr spricht: Mein Sohn, Bruder und Freund! Hier hat dein „Vielleicht“ eingeschlagen; denn siehe, da kannst du wählen, das welche du willst, und es wird schon das rechte sein. Weißt du aber, dass du Mich auf der Erde vielleicht einmal getragen hast? Möchtest du Mir nun nicht auch raten, wie, wann und wo?

10. Der Prior spricht: O Herr! Ich kann mich an dieses „Vielleicht“ erinnern und harre nun mit großer, seligster Sehnsucht der Enthüllung desselben. Bezüglich der Tragung Deines allerheiligsten Wesens auf der Erde von mir wird wohl sicher nichts anderes verstanden sein können, als dass ich Dich unter den Gestalten des Brotes und Weines in meinen Händen getragen habe. Hier kommt’s mir vor, als wären die drei Bedingungen: wie, wann und wo erschaulich sicher. Sonst wüsste ich wahrhaftig nichts bezüglich Deiner Tragung Würdiges hervorzubringen.

11. Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Bruder und Freund, sieh hin auf die Stadt und auf den Strom! Das stellt vor die Gestalt des Brotes und des Weines; – wie Ich in der Stadt zu Hause bin in Meiner urwesentlichen Eigentümlichkeit, also in dem Brot und Wein. Siehe, also hat es da mit der Tragung ein Häkchen, und du hast den Sinn der Frage [nicht erraten, denn so hast du Mich] nicht getragen, und du wirst daher schon müssen das Wie, Wann und Wo auf einen anderen Punkt hinwenden.

12. Der Prior spricht: O Herr und liebevollster heiliger Vater! Wenn ich mich da geirrt habe, so weiß ich wahrhaftig nichts anderes, als wenn ich mir denke, Du warst in Deinem heiligen Geist, wenn ich in Deinem Namen zum Volk gepredigt und Dein Wort geredet habe in meinem Mund und auf meiner Zunge. Denn Dein Wort ist ja doch sicher Deine allerreinste Wohnung nach dem Zeugnis Johannis!

13. Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Bruder und Freund, sieh hin auf die herrlichen Paläste! Siehe, diese sind voll Klarheit, voll Lichtes und voll Lebens aus Mir! Aber wie Ich eben auch urwesentlich eigentlich in diesen Palästen zu Hause bin, also auch hast du Mich getragen mit deinem Mund und mit deiner Zung. Du hast aber gesehen, dass Ich allda nicht urwesentlich eigentümlich zu Hause bin; also wird es auch da mit deiner Tragung ein Häkchen haben. Und es stellt sich heraus, dass du Mich weder über Band noch über Arm getragen hast; über Band als Freund und Nachfolger Meiner ersten Jünger, über Arm als Bruder, als der Kundgeber und Verkünder Meines Wortes. Daher kannst du dich auch hier über das Wie, Wann und Wo noch einmal deutlicher ausdrücken.

14. Der Prior spricht: O Herr und liebevollster heiliger Vater! Ich ahne Größeres, und kaum getraue ich mir es auszusprechen. Es wird doch nicht etwa sein, als ich Dich als Knabe noch in meinem Herzen so herzinniglich liebte, dass ich darob oft vor Liebe in Tränen zerfloss, oder vielleicht auch in meinem Amt, da ich ebenfalls heimlicherweise eine so mächtige Liebe zu Dir empfand, welche mich nicht selten vor lauter Entzückung förmlich krank machte, oder vielleicht in jenen Momenten, wo ich beim Anblick meiner armen Brüder zu Tränen gerührt wurde und ihnen auch mit Deiner Gnade, so viel es mir möglich war, helfend beisprang. Habe ich Dich etwa einmal in einem solchen Zustand getragen, da wüsste ich aber dennoch nicht, welcher aus allen diesen derjenige wäre, da Du Dich, o heiliger Vater, so tief herabgewürdigt, dass Du Dich hättest tragen lassen von mir.

15. Der Herr spricht: Mein lieber Sohn, Bruder und Freund! Sieh hin nach den kleinen Wohnungen des Morgens: wie dort, so hier. Wohin du greifest, da greifst du auf den rechten Ort hin; – und siehe, hier ist das Wie, Wann und Wo in eins vereint. Wie trugst du Mich? Siehe, allzeit in deiner Liebe zu Mir! Wann trugst du Mich? Siehe, allzeit in deiner Liebe zu Mir! Wo trugst du Mich? Siehe, überall und allzeit in deiner Liebe zu Mir; du trugst Mich somit allzeit im Herzen!

16. Wer Mich aber im Herzen trägt, der trägt Mich auch über Band und Arm. Wie aber im Arm und im Band keine tragende Kraft ist, wenn sie nicht zuvor ausgeht vom Herzen, so kann Mich auch niemand über Band und Arm tragen, wer Mich nicht trägt zuvor im Herzen. Also ist demnach das „Vielleicht“ vor dir enthüllt, denn ungewiss war es dir, wie, wann und wo du Mich trugst.

17. Nun aber ist das Wie, Wann und Wo in eins geschmolzen, und aus dem Freund und Bruder ist ein Sohn geworden. Darum sage Ich denn nun auch zu dir nicht mehr: Mein Freund, Bruder und Sohn, sondern allein: Mein geliebter und liebeerfüllter Sohn, folge Mir nun weiter auf jene Höhe zu den Wohnungen; allda wollen wir unter einem Dach beisammen wohnen und wirken ewiglich! Amen!

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