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Kapitel 73 Psalmen und Gedichte, Buch 1

Auf den Bergen

In sieben Stunden zu Greifenburg im Drautale geschrieben, den 19. – 21. August 1841 von Jakob Lorber

1. Auf, nur auf! Die düstre Nacht entschwand, ihr Brüder! / Horcht, schon schallen von den Höhen hehre Lieder; / Töne, gleich dem Sphärensange, hört sie schallen / durch des Gottestempels weitgedehnte Hallen! / Oh, ein großes Echo dort sich bricht am Steine; / hört doch, wie des Nachhall schwindet durch die Haine! / Weitgedehnte Fluren, Freude jauchzend, beben; / alles scheint zu sein voll Lust und Leben! / Und der Berge eisbesäte, steilste Spitzen – / ja, sie leben! „Leben“ hallt’s aus ihren Ritzen!

2. Hier steh ich, ein Gotteszeuge, wonnetrunken, / schaue stumm, wortlos, so ganz in mich versunken; / hehre, heil’ge Schauer meine Brust durchziehen, / riesige Gestalten über Berge fliehen! / Doch ich fasle; Nebel nur die Höh’n umgürten, / ihre regen Schatten mir mein Aug’ beirrten. / Diese scheinen nun von Berg zu Berg zu springen, / gleich als solle ihnen gar ein Kampf gelingen. / Oh, Du Großer, dem die Sterne all gehorchen, / herrlich ist es, nur allein auf Dich zu horchen!

3. Dort gen Mittag halt mein Aug’ ich nun gewendet, / hinter Riesenalpen ragt, wie ganz noch unvollendet / ein beeister, stein’ger Riese, unbeschreibbar / hoch empor, dem Auge nahe unerreichbar. / Wie doch gar so sonderbar, dass blanke Wände / zu verkünden scheinen aller Dinge Ende; / nichts als eis’ge Trümmer über Trümmer hängen, / nichts als Felsen nur an Fels sich dräuend drängen, / Ritze, Klüfte, tief- und weitgedehnte Spalten / sind’s, die schaurig düster diesen Berg gestalten!

4. Wer mag wohl mit kalter Brust solch Wunder schauen? / Wahrlich, den da nicht befällt ein heilig Grauen, / nicht ein Sehnsuchtsfieber nach den lichten Höhen, / der ist tot und wird vom Tode nie erstehen! / Oh, der blinden Toren, die die Welt durchrennen / Geldes wegen, aber Heiliges verhöhnen! / Da komm her, du Sklave deiner tollen Gierde, / lege nieder deiner Narrheit schwere Bürde, / send nur einen freien Blick zu diesen Höhen / und du musst und wirst den bessern Schatz ersehen!

5. O des schönsten Tales, das mein Aug’ gesehen / jemals hat! Wer mag des hehres Bild verstehen? / Segensvolle Triften, Äcker, Wiesen, Auen / wechseln stets mit furchtbar schroffen Felsengauen; / da ein Wildbach über mächt’ge Steine rauschet, / mit der Drau bald seine stieren Wogen tauschet, / dort von einer schwindlen Höhe wieder stürzet / einer steilsten Wand entlang, mit Glanz umschürzet, / tobend wild, zerschäumt, zerstäubt und ganz zerrissen, / nicht ein Bach, ein Strom fürwahr, auf mein Gewissen!

6. Wer kann solche großen Wunderdinge schauen / ohne Bangen, ohne Lust und heil’ges Grauen?! / Wahrlich wahr, Gebet ist da in jedem Zuge / leicht’ren Odems ohne alle Täusch’ und Truge. / Wer wohl könnte da des Betens sich enthalten, / wo vor ihm so große Wunder sich entfalten? / Einen Blick nur braucht man hier emporzusenden, / wo die Berg’ in eisumstarrten Spitzen enden, / die gar hoch noch über Silberwölkchen ragen; / ob ein Gott? – magst immer noch du zweifelnd fragen?

7. Wen des Heimatlandes Hügel zweifelnd lassen, / hierher komm er, um da jählings zu erblassen / vor den vielen, großen, mächt’gen Gotteszeugen, / wahrlich, seine Zweifelzunge wird da schweigen, / wo der Erde Riesen Donnerworte sprühen, / sagend: „Staub! betracht’ dein eitel, tolles Mühen, / was vermagst du denn durch all dein loses Sinnen? / Kannst dadurch ein ew’ges Sein du wohl gewinnen? / Sieh, wie stolz und mächtig wir vor dir auch stehen, / wird uns doch der Zeiten Hauch dereinst verwehen!

8. Und du schwaches Würmchen, zitternd vor uns Großen, / die wir Gottes Feuerwillen sind entsprossen, / kannst in deiner engen Brust noch Zweifel tragen / und nach einem Gotte, deinem Schöpfer fragen?! / Sieh herauf zu unsern eisumstarrten Spitzen; / sieh, wie wir aus unsern Klüften, Spalten, Ritzen / standhaft betend unsern großen Schöpfer preisen, / so du Wölkchen siehst um unsre Stirne kreisen! / Darum komm herauf, nicht scheuend manchen Riegel, / Zweifler; finden wirst du hier der Allmacht Siegel!

9. Gott, der mächtig Ew’ge, hat es scharf gestochen; / tief und rein sind unsre Stirnen durchgebrochen. / Dieses Siegels Zeichen wirst du leichtlich lesen, / keine Hieroglyphen sind’s, kein täuschend Wesen, / sondern klare Zeichen leuchtend wirst du finden, / die dir, Zweifler, deinen Gott getreu verkünden! / Diese Zeichen sind in weit gedehnten Reihen, / um dir einen Gottesglauben zu verleihen, / hingestellt von mächt’ger Hand der ew’gen Liebe; / lese sie und ordne deine finstern Triebe!“

10. Ja, auf dieser Berge lichtumfloss’nen Höhen / rein’re, Gottes-Geist-erfüllte Lüfte wehen! / Kahle Wände, eis’ge Zacken, tiefe Klüfte, / mächt’ge Quellen, Wasserfälle, moos’ge Trifte, / Steingerölle, hohe Seen, alte Bäume, / morsch zerstreuet, schneeumflorte Felsensäume, / tiefer liegend, vollbelegte Alpenweiden, / wechselnd hie und da mit grau bemoosten Haiden, / und noch tiefer, dichte Wälder; das sind Zeichen, / denen jeder Glaubenszweifel schnell muss weichen!

11. Möcht da jemand weislich mir entgegen sagen: / „Solche Zeichen ja auch kleinre Dinge tragen! / Muss man denn gerad auf hohe Berge gehen, / um der Gottheit Allmachtszüge zu erspähen? / Auch in einer Milbe magst du solche finden / und Atome müssen dir den Gott verkünden!“ / Wahr ist’s, wahr! Doch kleine Schrift ist schwer zu lesen, / leichter viel der großen Zeichen deutlich’s Wesen; / wer da einmal ist im Herzen blind geworden, / was sind dem der kleinsten Zeichen matte Horden?!

12. Wenn dem Gottesforscher schon genügt das Kleine, / wenn ihn schon erfreun sehr bunt belebte Haine, / darum er ein Forscher ist so ganz im Stillen, / zu erkennen seines Gottes heil’gen Willen; / so doch sind darum die hohen großen Zeichen, / nicht als überflüssig etwa auszustreichen, / sondern mehr und mehr gar treu und wohl zu achten, / denn auf solchen Höh’n und innren tiefen Schachten, / welche nie noch hat der Sonne Strahl durchdrungen, / wird ein fester Glaube leichter stets errungen.

13. Kleine Zeichen, möcht sich mancher Klügler dünken, / die dem Forscher zu Äonen Scharen winken, / reichen hin, der Gottheit Weisheit zu erkennen / und dadurch sich selbst nach ihr allein zu sehnen. / Aber ist das eines Menschen rechtes Streben? / Freunde, was zuerst die Lieb’ nicht mag erheben, / nicht des wahren Lebens Quell in uns erwecken, / wird auch wahre Weisheit schwerlich je erzwecken! / Darum ist an großen Zeichen viel gelegen; / Segen dem, der liebend treu sie mag erwägen!

14. Auf der alten Feste, Greifenburg benennet, / die zu sehen lang ich mich schon hab gesehnet, / hab ich klein und groß recht klärlich unterschieden, / hier erst ward mir neu ein herrlich’s Licht beschieden, / und dies Licht hat solches treulich mir bekundet: / „Wo die Zeichen klein und völlig abgerundet / deinem Aug’ erscheinen, sind zu unterscheiden / schwerer sie; des Glaubens aber höchste Freuden / und des wahren Liebelebens goldnen Frieden / findest du auf diesen stillen Höh’n hienieden!“

15. Wahrlich wahr, wie still und lautlos ist das Leben / und wie gar so himmelwärts des Geistes Streben, / auf den eisumstarrten, schroffen Bergeshöhen, / wo da nimmer ist ein Kräutlein zu erspähen! / Doch nicht nur auf Bergeshöh’n und eis’gen Triften, / als wie auch auf Gletscherspalten, Felsenklüften, / magst allein du deine Gottesliebe wecken, / all den Glaubenszweifel in die Klüfte stecken, / sondern mir am Fenster schon benannter Veste / sich der letzte, dunkle Zweifelsschleier löste.

16. Stets zwar, wo du willst, kannst Gottes Wunder schauen; / doch genießen kannst sie nur in solchen Gauen, / da ein ewig stiller Friede scheint zu walten / und die Allmacht Wundergroßes zu gestalten, / wenn schon auch die zarten Blümchen dich beglücken / und dein kindlich Auge fromm belebt entzücken. / Doch dabei musst aber du ja nicht vergessen, / wie der Herr für Männer hat die Kost bemessen: / An der Milch allein die Kinder sich erlaben; / Mann! – du musst zur Kost ein festes Brot ja haben!

17. Hier in Greifenburg in übergroßen Brocken, / ob auch manchmal hie und da ein wenig trocken, / gibt der Herr dem Manne Brotes zu genießen, / wo aus stein’gen Triften reine Bäche fließen, / wo gebirgsumkränzte Täler Segen hauchen, / wo wohl stets aus Bergen neue Leben tauchen. / Da, o Freunde, darf der Geist nicht Hunger leiden, / sondern stets genießen heilig’s Brot in stillen Freuden! / Kommet her und teilet es mit mir zufrieden; / größres könnt ihr nicht genießen je hienieden!

18. Wahrlich, das ist ein gelobtes Land der Erde, / da das Herz sich freut in jeglicher Beschwerde; / wenn auch Milch und Honig, wie im Morgenlande, / da nicht fließet, so doch fließt zum Liebesbande / ein Gefühl der Freundschaft aus den wärmsten Herzen, / Lind’rung triefend für so manche Seelenschmerzen! / Hier möcht ich mit Petrus und Jakobus rufen: / Herr, auf diesen Deiner Allmacht heil’gen Stufen / ist gut sein; so lass drei Hütten mich erbauen / und in selben mehr und mehr mich Dir vertrauen!

19. Glaube, Hoffnung, Liebe sind der Hütten Namen; / diese drei Gebäude fand ich hier beisammen. / „Brauchst sie ängstlich nicht erst irgend aufzubauen“, / klingt’s im Herzen, „lang schon stehn sie auf den Auen. / In den schlichten Hütten ist ein Herd gestellet, / für den Herd ein treues Feuer auserwählet; / siehe, wie empor zum Himmel steigt die Säule, / sie entsteigt dem warmen Herd in heil’ger Eile, / dampfend düster zwar, doch heilig ist ihr Wehen. / Sieh, Mich sollst als Koch nur bei dem Herd du sehen!“

Nachwort

Nicht gelehrtes Forschen, nicht verschmähte Liebe, ja auch nicht was sonsten irgendeinen Wanderer möchte herbescheiden zu besuchen diese hehre Gegend; nein! – all dieses ist für mich kein Hebel, sondern einzig und alleine nur der Geistessättigung zuliebe und aus Liebe zu der Liebe meiner Brüder kam ich hergezogen. Doch was ich erwartet, war nicht klein in meiner Brust; der Herr hat aber meine Rechnung unterstrichen und statt einer Fliege einen Elefanten mir gegeben! Jeder wird es leicht erraten, was ich damit sage. Dem Herrn alles Lob, Dank und Ehre ewig! Amen.

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