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Kapitel 159 Robert Blum, Buch 2

Gleichniß vom Kunst-Maler und seiner Schule, die zweierlei Schüler, Bewunderer und Arbeiter. Die zweierlei Liebhaber. Helena ergiebt sich; ihre Ehrfurchts-Rede. Des HErrn weise Belehrung dagegen, bringt sie wieder zur freien reinbräutlich-kindlichen Liebe.

1. „Siehe, du hast Mir ehedem aus deiner schlabutzigen irdischen Lebenszeit ein gar nicht schlechtes Gleichniß vorgeführt, das da deine Furcht entschuldigen solle, die du nun vor Mir hast; Ich werde dir aber dagegen auch ein anderes Gleichniß erzählen, und wir werden sehen, wie sich die Sache, die Ich von dir verlange, darinnen ausnehmen wird. Höre:

2. „Es gab einmal auf der Erde einen großen Meister in der Malerei, dessen Bildern wahrlich nichts abging als das Leben, auf daß die dargestellte Sache auch zur vollsten Wahrheit würde. Dieses Meisters Werke zogen aus allen Gegenden der Erde eine große Menge Bewunderer herbei, und unter diesen Bewunderern auch so manches Talent, das sich bei dem großen Meister gerne ausbilden möchte; das freute den Meister, und er bot auch alles auf, um aus den jungen Talenten etwas zu machen;

3. aber unter den vielen Kunstjüngern dieses Meisters waren Einige, mit nahe den besten Talenten begabt, welche aber vor der unübertrefflichen Kunstgröße ihres Meisters einen so ungeheuren Respekt hatten, und eine derartig große Achtung, daß sie es nur mit größter und demüthigster Selbstverläugnung kaum wagten, einen Pinsel zur Hand zu nehmen; denn sie glaubten es einzusehen, daß da alle ihre noch so große Mühe rein vergeblich ist, um ein Atom von der Größe ihres Meisters zu erreichen. Die Andern, minder talentirten aber dachten, und sagten: Wohl wissen wir's, daß unser Meister bis jetzt unerreichbar als einziger und alleiniger in seiner Art dastehet, und wir ihm auch nie s'Wasser reichen werden; aber mit dem Respekte vor seiner Kunst wollen wir's dennoch nicht gar so weit treiben, daß wir darob uns nichts zu malen getrauen, wir wollen im Gegentheile ihm sehr zugethan sein, und von ihm lernen, so viel wir nur immer im Stande sind. Das wird ihn gewiß noch mehr freuen, als so wir blos als stumme Bewunderer in seinem Kunstatelier von einem Werke zum andern ganz zerknirscht kriechen würden. Denn es muß dies ja auch ein Lob des großen Meisters sein, wenn Tausende, von seinen großen Kunstwerken hingerissen, sich nach der Möglichkeit ihrer Kräfte beeifern, dem großen Meister in Einem oder Anderem näher zu kommen. Und siehe du, Meine liebe Helena, die Ersten von zu großer Ehrfurcht Hingerissenen lernen von dem großen Meister wenig oder nichts, während sich die Anderen durch ihren Fleiß und Eifer unter der Leitung des großen Meisters zu ganz tüchtigen Künstlern heranbilden.

4. Sage Mir nun so ganz nach deiner Meinung, welcher von diesen zweien Jüngergattungen wird der Meister den Vorzug geben? den zu Ehrfurchtsvollsten, oder den weniger Ehrfurchtsvollen, aber desto eifrigern Nachahmern seiner Kunst, für die ihr Herz glüht?

5. Oder wer wäre denn dir lieber für dich, Einer, der von deiner Schönheit so niedergedrückt ist, daß er sich um keinen Preis den Muth zu nehmen getraute, dir seine Liebe zu bekennen, sondern blos einen sich in einer gewissen Entfernung haltenden stummen Bewunderer macht? oder Einer, den deine Schönheit wohl zur Liebe sehr anfacht, er aber darob dennoch seiner Sinne mächtig bleibt, und den Muth hat, dir zu gestehen, daß er dich unbeschreiblich liebt! Sage Mir da deine Ansicht.“

6. Spr. die Helena: „O Herr, die Zweiten, die Zweiten! Ich ergebe mich schon ganz; denn ich sehe nun meinen Irrthum schon ein.“

(Am 16. Jan. 1850)

7. Rede Ich: „Nun gut; so du deinen Irrthum einsiehst, was wirst du dann Mir gegenüber thun? Wirst du wohl wieder so zutraulich sein, als ehedem bald nach deiner Erlösung vom Joche deines geistigen Todes?“

8. Spricht die Helena etwas stotternd: „Hm soll freilich, a – b – er hm, wenn Du nur nicht gar so entsetzlich heilig wärest! Wenn ich bedenke, daß Du – Gott der ewig Allmächtige, Heilige und Allweiseste bist, und ich eigentlich nichts als blos nur so ein allerkleinstes Gedankenfünkchen aus Dir bin, da kommt mir so eine ungeheure Ehrfurcht vor Dir, von Deinen heiligsten Augen entgegen, daß ich in was für eine tiefste Tiefe vor Dir versinken könnte.

9. Du siehst zwar wohl so sanftmüthig aus, als wie ein allerfrömmstes Lämmchen, und so herzensgut wie eine Großmutter, so ihr ihre liebsten Enkerl die Hände abküssen, aber große Stürme, Blitz, Hagel und Donner und eine Menge erschreckliche Dinge mehr kommen denn doch wohl auch so manchmal aus Deinen allerholdseligsten Augen über die ganze Welt, zum alle Menschen erschreckendsten Vorscheine. Und siehst Du dem Außen nach auch gar nicht kräftiger aus als etwa unser eins, aber die hübsch passabl großen und sehr vielen Weltkugerln, besonders die lichten (Sonnen), mit denen Du noch viel leichter so zu sagen spielest, als ein geschaffener Mensch mit Erbsen, sagen mir so ganz heimlich: Der Allmächtige sieht wohl aus wie ein Mensch; aber Er ist dennoch ganz was anderes als ein Mensch, und Spaß versteht Er schon gar keinen; Er ist wohl unendlich gut denen, die Er liebt; aber mit jenen, die sich Seine Ordnung nicht wollen gefallen lassen, diskurirt Er ganz anders.

10. Und solche Gedanken mehr dringen sich ganz ungebeten meinem Herzen auf, und ich kann dann freilich nicht dafür, daß sich meines Wesens stets eine größere Ehrfurcht vor Dir bemächtigt! – – Ja, ich möchte es sogar behaupten, daß Du Selbst als Gott nicht einmal so recht geschöpflich begreifen und wahrnehmen kannst, was ein schwaches Geschöpf fühlen muß, so es sich vor Dir befindet. Dir ist es sicher ein wahrer Spaß, vor Trillionen Deiner Geschöpfe zu stehen, und sie ganz frei nach Deiner göttlichen Lust zu lieben; aber wir Geschöpfe können das nur mit einem geheimen Ehrfurchtsschauder.

11. Wenn ich mir's getrauete, wie ich's möchte, da könnte ich Dich freilich, wie man so zu sagen pflegt, rein zu Tode lieben, und mich in Dich so ganz ordentlich hineinverbeißen. Aber – ja, da ist ein ungeheures aber dazwischen!“

12. Rede Ich: „Aber schau, schau, was du nun für ein grundgescheites Wesen bist; Ich werde bei dir schon noch müssen Unterricht nehmen; aber schau, schau, du furchtsames Lapperl, wenn Ich nicht fühlen könnte, was du als ein Geschöpf zu fühlen vermagst, so du vor Mir deinem Schöpfer stehest, von wem Andern könnte dir denn überhaupt ein Gefühl eingepflanzt sein? Schau! Ich habe dich ja ganz, und nicht halb erschaffen! Aber Helenerl, jetzt hast du wohl einmal wieder einige Ueberbleibsel aus deiner Wiener Weisheit hervorgeholt!

13. Schau du, Mein allerliebstes Helenerl, auf der Welt hast du öfter gesagt: Nur keinen schwachen Mann! Wenn der Mann nicht auf einen Streich einen Ochsen niedermacht, so möcht' ich ihn gar nicht zu einem Manne. Aber nun hier im Geisterreiche möchtest du etwa gar einen fliegenschwachen Herrgott haben. Schau, schau, zu was wär' denn so ein schwacher Herrgott gut? Der Herrgott muß ja allmächtig sein, und über alles weise, sonst müßte Er ja samt dir zu Grunde gehen. Nun, was meinst du denn jetzt, bin Ich noch so fürchterlich, oder vielleicht etwa doch nicht?“

14. Hier fängt die Helena wieder an zu schmunzeln, und sagt nach einer etwas schämigen Weile: „Na, aber Du liebster himmlischer Vater, kannst aber einem schon so zureden, daß man am Ende richtig alle übertriebene Furcht vor dir verlieren muß. Aber jetzt sollst Du von mir aber auch geliebt werden ohne Maß und Ziel.“ –

(Am 18. Jan. 1850)

15. Sage Ich: „Nun so komm her an Meine Brust, und mache deinem Herzen Luft!“ Die Helena besinnt sich gar nicht mehr, und fällt mir an die Brust, und bedeckt diese mit einer großen Masse von Freudenthränen, Liebeseufzern und Küssen.

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