Help

jakob-lorber.cc

Kapitel 203 Robert Blum, Buch 2

Die gewonnenen Sechs. Paulus' Werbung um die übrigen. Rede über die Zeit der besonderen Gnade und über die Fleischeslust.

(Am 11. Juni 1850)

1. Spricht der zuerst hervorgetretene Klubist zu den andern: „Reden tät er aber schon wie a Buch! Und so a bisschen auf die Schwarzkunst verstünde er sich auch! Und ein prächtigs Gmüd häd er auch! Und so närrisch sonst das Ding auch klingt, dass er uns für Geister und sich selbst für'n Apostl Paulus hält – aber wisst's, so ganz leer scheint solche seine Behauptung nicht zu sein! Denn mir ist auch schon so manch's aufgfalln, was i euch nit hab sagen wolln, weil's euch so wie mich gwiß sehr stark geniert hätt'. Aber d' Sach ist amal so und wir können's leidr nicht anders mache. Darum mon i halt, wir soll'n grod diesem Paul folgn! Denn schlecht maont er's nicht mit uns.“

2. Sagen einige: „Ja, ja, probieren können wir's ja! Was kann uns dabei gschehn? Ist was dran, nun, so kanns nichts schlecht's sein. Und ist nichts dran, so habn wir nichts verlorn. Also gut, wir fünfe sind mit dir einverstanden! Was die andern, die sich noch nicht erklärt habn, machen wollen, das geht uns natürlich nichts an. Wir aber sind einmal dabei.“ – Sagt der Erste: „Wann nur noch aner wär', so machetmer grod die heil'ge Zahl aus. Nun, hat denn von euch keiner a Lust mehr dazu?“

3. Tritt einer aus der Menge hervor und sagt: „Nun, weil ich aus allen, die nicht mit euch stimmen, der Dümmste bin, so will ich in eure heil'ge Zahl treten; und wären nun ‚die sieben Schwaben‘ wieder beisammen. Aber das müsst ihr mir schon erlauben, dass ich als der Letzte hinter euch einhergehe und zu euch sage: ‚Jockele, geh du voran, du hast jo Stifln an!‘ Wisst's aber, was die heilige Zahl bedeutet? Ich seh schon, dass ihr's nicht wisst, d'rum will ich euch's sage. Seht, sieben bedeutet einen Esel: zwei Eselsohren, zwei dito Augen, zwei dito Nasenlöcher und ein Eselsmaul macht gerade sieben! Ich glaube, dass uns keines dieser teuern Stücke fehlt, und so sind wir denn auch ganz geeignet, alles das für bare Münze anzunehmen, was uns dieser wahrlich aus den Wolken gefallene Paulus sagt. Nur zu! Solange es gut geht, bin ich überall dabei; wann's aber dann schief zu gehen anfängt, so werde ich, als nun Letzter, beim Umkehren sicher der Erste sein, wie es auch irgendwo in einem Evangelium heißt: Und so werden dann die Ersten die Letzten und die Letzten die Ersten sein – nämlich beim Davonlaufen.

4. Ihr wisst, dass ich stets ein lustiger Kauz war und noch bin. Aber dass wir schon gestorben sein soll'n, das geht mir nicht ein; denn wir müssten da ja doch etwas wissen davon. Denn das Sterben ist ja doch keine gar so unbedeutende Sache, dass sie der Betreffende gar so total vergessen soll können. Aber sei ihm nun, wie's ihm wolle, ich bin beim Dummwerden nun einmal dabei, und so sei es denn! Um zehn Dukaten für ein lumpig's Zehn-Kreuzer-Stück kann man ja wohl so etwas mitmachen. Ich hätte selbst noch so ein halb's Dutzend solcher Zehn-Kreuzer-Fetzen; vielleicht verwandelt's mir der gute Eskamoteur [Zauberkünstler] Paul auch per Kreuzer in Goldstücke!? Wenn das, da bin ich dann vollends zufrieden.“

5. Hier wendet sich dieser siebente an Paulus und spricht: „Höre du, lieber guter Freund, der du das sonderbare Vermögen besitzt, Papier in reines, gediegenes Gold zu verwandeln, und zwar auf die Art, dass aus zehn Kreuzer Scheinwert zehn Dukaten werden! Sieh, ich habe hier gerade sechs solcher Zehn-Kreuzer-Fetzen; möchtest du sie mir nicht auch in Goldstücke umschaffen?“ – Spricht Paulus: „Warum denn nicht, so es dir nach deiner freilich offenbar höchst blinden Meinung damit gedient ist. Wo hast du deine Fetzen?“

6. Sagt der siebente: „Hier sind sie schon – nahe jeden Zusammenhanges ledig.“ – Paulus rührt sie an, und es werden in dem Augenblick sechzig Dukaten daraus. – Der siebente sinkt nahe bis zum Boden vor Verwunderung und sagt nach einer ziemlichen Staunensweile: „Ja, jetzt ist es klar, das ist ein Wunder in optima forma. Denn beim früheren dachte ich, dass du, um uns in unseren Meinungen über dich gewisserart breitzuschlagen, bloß so ein Boskoisches Trugstückchen produziert hast; aber da hört des Bosko Kunst auf und an ihre Stelle tritt ein reines Wunder! In meiner Hand aus den sechs Zehn-Kreuzer-Fetzen augenblicklich sechzig Dukaten herzaubern, das geht über den Horizont alles menschlichen Wissens himmelweit hinaus! Jetzt aber glaube ich auch an die sämtlichen Wunderwerke Christi. Ihre Möglichkeit liegt vor meinen Augen auf meiner rechten Hand, und so glaube ich nun alles, was ich sonst ewig nie hätte glauben können. Sehe, du guter Mann Paulus, nun glaube ich auch, dass du im Ernst der eigentliche und wahrhaftigste Paulus bist, wie auch, dass wir schon im Ernst gestorben sind.“

7. Sagt der zuerst Hervorgetretene: „Ja, ja, der Meinung bin ich nun auch ganz festweg! Aber wahrlich nicht so sehr dieses Wunderwerkes wegen, als vielmehr seiner früheren Rede wegen, die er, als wir ihn wegen der neupaulusvereinlichen Verdächtigung hinaus schoppten, an uns gerichtet hat. Denn da hat wirklich der alte Paulus, wie er einst mag geleibt und gelebt haben, haufenweise groß und stark herausgeleuchtet! Mir ist die Rede erst nach und nach so recht in den Leib gedrungen. Und je mehr ich bei mir darüber nachdenke, desto mehr Paulus finde ich darinnen und desto mehr Wahrheit. Das Dukatenmachen aus den Fetzen ist wohl sehr blendend und breitschlagend; ob's aber deshalb auch gut und wahr ist, das ist eine ganz andere Frage. Ich setze den Fall, dass wir schon ganz sicher in der Welt der Geister uns befinden, in der doch sicher allerlei zauberhafte Dinge zum Vorschein kommen dürften – da wäre es mit dem Dukatenmachen ein Spaß. Denn der gute Paulus darf sich recht fest zum Beispiel hundert oder tausend Dukaten denken, und da die Geister Gedanken sehen können, so werden auch wir, so wir im Ernst Geister sind, des Paulus Dukatengedanken beschauen können.“

8. Sagt der siebente: „Ja, aber wie kommt es denn, dass wir als Geister auch schon seit einer geraumen Zeit her uns mit lauter klingenden Gedanken beschäftigten, und es kam anstatt der Fetzen auch nicht ein schlechtester kupferner Pfennig zum Vorschein, geschweige ein Dukaten. Siehst du, da bin ich mit dir nicht so ganz einverstanden. Es muss also hinter der paulinischen Dukatenmacherei ganz was anderes stecken als bloß nur feste Dukatengedanken.“

9. Sagt der erste: „Ist nicht in Abrede zu stellen! Aber dabei bleibe ich dennoch stehen, dass seine Rede besser war als seine Dukatenmacherei.“ – Sagt der siebente: „Allerdings! Aber er hat in seiner Rede eben gar herrlich auch gezeigt, was so ganz eigentlich seine Dukatenmacherei für uns bedeutet, und wir können sie sonach so ziemlich der Rede gleichstellen.“

10. Spricht Paulus: „Eure ganze Gesellschaft besteht aus einhundertzwanzig Menschen. Sieben haben sich meinen Worten und Taten gefügt. Somit bleiben noch hundertdreizehn, die sich nicht gefügt haben. Was ist mit ihnen?“ – Sagt einer aus den hundertdreizehn: „Wir bleiben und brauchen nichts mehr von deiner Lehre und von deinem Gold.“

11. Spricht Paulus: „Nun ist geöffnet die Pforte zum Reich Gottes! Wer da hinein will, der wird auch hinein kommen. Wer aber nun nicht will, der wird dann, so die große Pforte der besondern Gnade wieder geschlossen wird, schwer hineinkommen. Denn obschon der Herr stets unveränderlich ist in Seiner Liebe und großen Erbarmung gegen und für alle Seine Geschöpfe und Kinder, so ist Er aber dennoch in der Gabe Seiner besonderen Gnade nicht allzeitig gleich; denn fürs Erste gibt Er diese nicht jedermann gleich, und nicht jedweder bekommt sie, sondern nur wenige, die da erwählt sind vom Anfang an und dazu schon also geschaffen und zugerichtet, die besondere Gnade in sich ohne Nachteil für ihr Sein fassen und ertragen zu können. Aber zu allen Zeiten sind die Propheten nicht da. Nicht jedes Erdjahr bringt seine eigenen zum Vorschein; da gilt es kaum von hundert zu hundert Jahren irdischer Zeitrechnung für die Zulassung besonderer Gnaden in den Propheten, die da sind nach dem Willen des Herrn aus Seiner besondern Gnade, auf dass sie schauen Dinge des Geistes und hören das Wort aus dem Mund Gottes und dann verkünden beiden – den Schwachen und den Blinden der Erde – damit diese denn auch selig werden mögen und eingehen in die Gnadenhimmel Gottes.

12. Und so hört ihr Tauben und seht ihr Blinden! Nun ist wieder eine solche zugelassene Epoche der besondern Gnade Gottes des Herrn! Boten aus den höchsten Himmeln durchziehen nach allen Richtungen die unteren und untersten Sphären der finstern Geisterwelt! Ja der Herr Selbst tut dasselbe, um die Unglücklichen glücklich zu machen! Und auf der Erde und in allen Weltkörpern werden nun besondere Propheten und Knechte des Herrn erweckt und geben den andern Menschen das Licht und das Wort aus den Himmeln!

13. Aber leider kehren sich nur wenige daran. Viele aber tun, was ihr tut: sie lachen den Propheten ins Gesicht und spotten ihrer oder drohen ihnen gar. Aber diese Zeit wird bald wieder vergehen, und die besondere, große Gnadenpforte Gottes wird wieder auf lange hin verschlossen werden den Kindern der Welt und des Gerichtes. Und so ihr dann rufen werdet in eurer großen Not, da wird euch keine Antwort werden. Und so ihr auch suchen werdet, da werdet ihr aber dennoch nichts finden. Und durch all euer Bitten und Flehen werdet ihr dann nichts bekommen. Jetzt aber, da noch die Zeit der besonderen Gnade währt, braucht ihr weder zu suchen noch zu rufen, zu bitten und zu pochen, sondern bloß einfach zu wollen nur, und ihr werdet angenommen! Denn nun werdet ihr gerufen, gesucht, gebeten, und an die Türe eures Herzens wird von uns aus gepocht, und ihr braucht bloß ernstlich ‚herein‘ zu sagen und die Aufnahme ins Gottesreich ist bewerkstelligt. Was wollt ihr mehr? Nun tut der Herr alles, das ihr wollt, zu eurer Beseligung für ewig. Aber nach dem baldigen Ablauf dieser besonderen Gnadenzeit werdet ihr alles Mögliche tun können und werdet dennoch nichts erlangen – wie ich es euch schon im Verlauf dieser meiner Belehrung und Beredung gezeigt habe.

14. Aber ich sehe euren Sinn! Und danach wollt ihr nicht dem Geist angehören und nicht folgen seiner sanften Stimme aus den geöffneten Himmeln, weil ihr auf die tote Stimme eures vermeintlichen Fleisches hört und wollt Weiber, um mit ihnen den Rest eures Lebens zu verbuhlen. Aber eure bocksgeile Gestalt will den Weibern nicht mehr gefallen. Und nach denen ihr giert wie eine Hyäne nach einem Leichnam, die haben vor euch einen Ekel wie vor der Pest, und die an euch noch irgendein Vergnügen fänden, die wollen eurem Sinn nicht behagen, weil ihr zu geile Fleischböcke seid und nur junges und fettes Fleisch wollt!

15. Wartet aber nur noch ein wenig! Denn diese besondere Gnadenzeit wird nimmer lange währen, und es werden dann Weiber über euch kommen, denen ihr werdet dienen über alle die Maßen. Da werdet ihr dann zu heulen und zu wehklagen anfangen und werdet euch vom Fleisch der Weiber entfernen wollen. Aber all euer Bestreben und all euer Heulen und Wehklagen wird dann vergeblich sein. Die Weiber werden um eure Lenden glühende Fesseln, aus Schlangen gemacht, schlagen und werden euch also versenken in die Grube des Verderbens für ewig, daraus euch dann auch keine künftige Gnadenzeit mehr wird befreien können. Wehe euch und jedem hier in der Geisterwelt wie auch jedem Geilbock auf der Welt, so er seinen Sinn von der Gnade abwendet und seine Augen nach dem fetten und jungen Fleisch der Weiber richtet! Wahrlich wahr, so wahr ein Gott lebt und so wahr Sein Wort durch meinen Mund nun an euch ergeht, so wahr und gewiss wird, was eurer Geilheit nun wie ein Himmel voll Lust und Wonne sich zeigt und euer Herz verlockt, in aller Kürze für euch und für alle euresgleichen eine Hölle grässlichster Art werden!

16. Ihr schimpft darum auch in einem fort über die Regierungen der weltlichen Fürsten, weil ihr Aufwand zu viel der Schätze benötigt und ihr dabei zu kurz kommt. Aber dies Zukurzkommen geniert euch nur hauptsächlich eures zu unbefriedigten Fleisches wegen! Hättet ihr Millionen, bei Gott dem Herrn, euch wäre jede Regierung recht. Denn da würdet ihr euch schon einen Fleischhimmel non plus ultra einrichten können. Aber weil eure Finanzen nicht auslangen und ihr gewisserart mit den Schweinen die gemeinen Treber speisen müsst, und das nur selten – so seid ihr darob voll Grimm gegen die Fürsten, die da die schönsten Weiber haben können, so viel sie nur wollen, mögen und können.

17. Aber das seht ihr nicht ein, dass das Gott der Herr Selbst also anordnet und geschehen lässt, auf dass ihr zu euch kommen sollt und erkennen, dass euch Gott der Herr für etwas Besseres erschaffen und bestimmt hat als bloß für die geilsten Werke des Fleisches nur, die der Mann wohl auch, so lange er auf einer Welt lebt, im wahren Fleisch des Todes, zu verrichten hat nach weisem Ziel und Maß – aber nie anzusehen hat als eine Bestimmung seines Seins, sondern als eine zufällige, allzeit nüchterne, natürliche Verrichtung, wie es deren zur Bedienung des zeitweiligen toten Fleisches mehrere gibt, von all denen diese die unwesentlichste ist.

18. Denn wer da auf einer Welt es tut nach Maß und Ziel, der tut wohl; wer es aber ganz unterlässt, der tut besser. Denn der Herr gab diesen Sinn dem Fleisch nicht zu einem Bedürfnis, sondern als eine Eigenschaft zum nüchternsten und weisesten Gebrauch. Wer aber daraus ein Bedürfnis sich macht, der ist ein elender Sünder, und die Gnade Gottes weicht aus seinem Herzen, da er dem stummen Gesetz des Fleisches gehorcht und ihm in diesem Gehorsam einen Himmel der Böcke und Hunde nach der Gerechtigkeit des Todes und des Gerichtes erbaut.

19. Fasst es, wer es fassen kann! Wer immer an einem Gesetz, auf dem ein Gericht lastet, eine Wollust findet und das Gesetz der Wollust wegen beobachtet und danach tut, der hat das Gericht schon in ihm; wer aber das Gericht in sich trägt, der ist ein Sklave und ist für die Freiheit in Gott und aller Wahrheit verflucht.

20. Und darum sollt ihr über dem Gesetz des Fleisches stehen durch die freie Macht der Selbstverleugnung und durch die Liebe und den lebendigen Glauben an Gott den Herrn, auf dass ihr alles Gesetzes und alles Gerichtes ledig werden mögt! Denn ein Sklave des Gesetzes, ob natürlich oder moralisch, kann in das Reich Gottes nicht eher eingehen, als bis er jedes Gesetzes ledig geworden ist. Denn niemand wird nach dem Gesetz gerichtet; denn das Gesetz selbst ist schon das Gericht. Nur wer sich in der Liebe zu Gott über alles Gesetz frei erhebt, der wird auch frei werden in Gott und in aller Wahrheit! Denn die Liebe in Gott ist die alleinige Wahrheit!

21. Nun habt ihr es alle gehört, und niemand kann sich entschuldigen, als ob er es nicht vernommen hätte! Tut daher nun, das euch bestens bedünkt!“

Kapitel 203 Mobile Ansicht Impressum