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Kapitel 204 Robert Blum, Buch 2

Gute Antwort des Einen. Paulus letzte Rede an die Hartnäckigen. Der lustige Wiener, ein derber Tiroler. Paulus ordnet den Ersteren. Alle ziehen weiter.

(Am 14. Juni 1850)

1. Sagt Einer aus der Mitte der 113: „Diese Rede war gewichtig, und deckt mir manches Geheimniß des Lebens auf; denn wer am Gesetze hängt, der hängt auch wie am Galgen des Geistes, und die Sünde wie nach ihr die Strafe, sind nichts als Kinder des Gesetzes; je mehr es irgend Gesetze giebt, desto mehr giebt es auch Uebertretungen und Strafen. – Warum sind denn nun in Europa nahe alle Kerker mit Verbrechern angestopfet? Weil die Belagerungsstände eine Menge neuer Gesetze erfunden haben, und die Menschheit – der allgemeinen Ordnung und Vermögens- und Lebenssicherheit wegen zur Darnachachtung genöthigt, – hat aber vom Anfange an dieses Joch abschütteln wollen, und so sind die Menschen dann dafür in die Löcher hineingeschüttelt worden, und sind richtig durch das Gesetz verflucht zur Strafe. Das Gesetz ist für Gesellschaften zwar nöthig, aber dabei doch stets ein Uebel und ein Fluch in der Gesellschaft.

2. Denn wären die Menschen, wie sie sein sollen – als wahre Menschen, da benöthigten sie sicher keines Gesetzes, und stünden dadurch weit über jedem Gesetze; aber da die Menschen eigentlich, wie die allzeitigen Erfahrungen es nur zu hell zeigen und gezeiget haben, mehr Thiere und oft von der bösesten Art, als Menschen sind, so bedarf es da freilich auch entsprechender Gesetze, durch die die wilden Leidenschaften der bildungslosen Menschheit gezügelt und gebändigt werden. Was wäre eine Schule ohne Schulgesetze? Was eine große Menschengesellschaft ohne dieselben! Daher müssen wohl Gesetze sein, als ein Uebel gegen ein anderes Uebel; aber demungeachtet läßt sich immer eine weise Gesellschaft von Menschen denken, die keine Gesetze bedarf, und dadurch auch vollends frei und glücklich ist und sein muß. Das also sehen wir Alle hoffentlich recht gut ein, und können diesem Paulus nur alles Recht zu- und nachsagen.

3. Aber wie kann sich ein Mensch, oder 100 Menschen von noch so verschiedener Weisheit übers Gesetz hinaussetzen, mag das Gesetz ein natürliches, oder ein moralisches, oder politisches sein? Hält man das Gesetz, so ist man doch offenbar ein Sklave des Gesetzes; und hält man es nicht, und setzet sich darüber hinaus, so wird man vom Gesetze vor's Gericht gezogen, allwo Einem des Gesetzes Fluch zu Theile wird. Macht man aber das Gesetz gewisserart zur zweiten Lebensnatur, und hat an der Erfüllung desselben eine förmliche Lust, gleich wie ein Scharfrichter an der Hinrichtung eines armen Sünders, auf die sich mancher Henker oft schon Wochen lange freut, so ist man dadurch sich selbst zum lebendigen Gesetze geworden, und weil das Gesetz selbst ein Fluch ist dem Menschen, so muß ja denn auch ein Mensch, der es zum Selbstgesetze gebracht hat, der hartnäckigste Fluch sein. Wahrlich, da heißt es wohl: Herr! wer wird mich vom Gesetze je erlösen können?!

4. Wir sind aus lauter Soll und Muß zusammengesetzt. Das Muß ist rein des Teufels, und das Soll ist nun nicht vieles besser; denn was einmal geschehen muß nach dem Willen einer allmächtigen Gottheit, das ist schon gerichtet; was aber als dem eigenen menschlichen freien Willen anheimgestellet geschehen soll, das ist zwar noch nicht gerichtet, aber es stehet in der beständigen Erwartung des Gerichtes.

5. Nun frage ich euch als einer eurer besten Freunde: – Was thun wir, oder was wollen wir thun? Dieser Mensch mit dem Apostelnamen, oder meinetwegen auch derselbe Apostel selbst, so wir hier schon durchaus in der Geisterwelt uns befinden müssen (was mir im Grunde, offen gesagt, gar nicht unangenehm wäre; denn der Gedanke an den Tod war doch stets meine größte Qual) hat uns diese Geschichte wahrlich sehr klar und wahr auseinander gesetzt. Was ist's denn? folgen wir ihm. In die Hölle, die es sicher nirgends giebt, wird er uns nicht führen, und vor kein Gericht auch nicht, und so können wir ihm folgen ja auf die Gasse hinaus; da wird sich's wohl zeigen dann, was er eigentlich mit uns will.“

6. Sagen die Andern: „Ja, ja, wenn wir schon wirklich in der lieben Ewigkeit sein sollen(?), da wär' es sogar dumm von uns, wenn wir einem g'scheidten Kampl von einem Paulus nicht folgen möchten. Nun, und g'fällt es uns draußen nicht, da können wir ja immer wieder umkehren; denn gezwungen können wir draußen doch ebenso wenig werden, als wie herinnen.“

7. Spricht nun wieder Paulus, der sich unterdessen ganz ruhig verhielt: „So frei ihr hier seid, eben so frei, und noch um vieles freier sollet ihr in dem Befolgen meiner Lehre, und meines guten Rathes an euch Alle sein. Ich sage euch Allen, meinen lieben Brüdern in Gott dem Herrn: Was verlieret ihr eigentlich hier, so ihr diese Stube verlasset? nichts als eine ekelich leere Erwartung einiger gailer Dirnen, die euch blos eure dumm, d. i. so viel als blind erhitzte Einbildung vormalt, sonst aber für euch und für gar viele eures Gleichen in solchem naturmäßigen Zustande nirgends in der Wirklichkeit weder zu finden und noch viel weniger zu haben sind. Was ist ein leerstes Fantasiebild gegen die Wahrheit? Ich aber will euch für all das ekelhafte Leere die vollste Wahrheit geben; was solle euch denn hernach noch abhalten können, mir zu folgen in die heiligen Sfären des Lichtes, der Wahrheit und des Lebens, welches ist die Liebe in Gott, der da ist Christus, der Ewige, der Wahrhaftige.

8. Ihr seid nun schon eine geraume Weile leibesledig hier, in eurer einbilderischen Erwartung; aber welche Erfolge sind euch geworden? Sehet! gar keine, außer daß sich euch dann und wann ein nebliches Gebilde irgend eines weiblichen Wesens auf einige Augenblicke gezeiget hat, und dann wieder in nichts verrann. Diese Augenblicke sind aber auch alles, was ihr hier als euch Beseligendes aufzuweisen habt; nicht einmal einen schlechtesten Wein, und nicht einen Bissen Brodes, und kurz gar nichts habt ihr noch genossen, und dennoch wolltet ihr anfangs nichts hören vom Verlassen dieses leeren Ortes, der zu sonst nichts taugt, als zum noch dummer und noch elender werden, als ihr es ohnehin schon lange seid.

9. Aber wohl euch nun, daß ihr in euch den guten Entschluß gefaßt habt, mir zu folgen; denn nun werdet ihr erst dahin gelangen, wo die Urwahrheit und Urwirklichkeit alles Seins und Bestehens zu Hause ist. In aller Welt ist alles Lüge und Täuschung, das euch je irgendwo vorgekommen ist; euer Leben selbst, euer Besitze eure Wissenschaft, alle eure Künste, und Schätze, nichts als Lüge und Trug war es; und wäre die materielle Welt was Besseres, so müßte sie beständig sein, wie die Wahrheit selbst für ewig eine und dieselbe beständig ist und bleibet; was aber bleibet in der Welt als beständig? Ich sage es euch – nicht einmal das Wort Gottes! Denn auch dieses wird so viel nur immer möglich von der Lüge der Welt durchtrübet, und dann in allerlei Dummes, Falsches und Böses verkehret. Darum ist es aber den Menschen verhüllt gegeben, auf daß es in seinem Heiligsten nicht verunreinigt werden kann. Die Welt ist nichts als eine gerichtete Lüge, auf eine bestimmte Probezeit; so diese beim Menschen aufhört, dann erst beginnt das Gottesreich der ewigen Wahrheit. Und so machet denn nun auch ihr in euch der Welt ein Ende, auf daß dann in euch das Gottesreich anfangen kann Platz zu greifen. Und so denn folget mir Alle!“

10. Sagt Einer, der seiner Natur nach eines guten Humors ist, stets mehr lustig als traurig. „So 'leb' denn wohl du stilles Haus, wir zieh'n von dir vergnügt hinaus! Sollten wir uns irgend wann in der allerliebsten Ewigkeit wiedersehen, so werden uns beiden die Augen offen stehen. O du liebes Gebäude du! wie schön haben wir in dir Hunger und Durst, und an durchaus keinem Geldüberflusse gelitten; ja, wie oft sind wir vor allerlei Rührung zwischen deinen 4 Wänden zu Thränen gekommen, an denen aus purer freisinniger Oekonomie nur zwei schmale und niedere Fenster angebracht sind, jedes aus 6 kleinen Glastafeln bestehend, die aber so vielfach mit Blei durchzogen sind, daß dem Lichte nur sehr kleine Flächen zur beschmutzten Durchpassirung belassen sind. O, das ist rührend! Freunde! daß wir beim Verluste dieses Hauses nicht nur nichts verlieren, sondern nur ungeheuer gewinnen, das wird hoffentlich doch jedem von euch bestens und klarst einleuchtend sein. Mit dem Haus' – ist's also aus; nun werden wir sehn, wie es uns geh'n wird drauß.

11. Das Späßigste bei der Sache aber ist und bleibt das, daß wir schon sämtlich, wie wir hier sind, unsere Madensäck' abgelegt haben, und blos Seelen sind, mit Haut, Haaren, Knochen, Hintern und noch was. Auch müssen wir als Seelen die gewöhnlichen Nothdurften verrichten, und Hunger und sehr viel Durst verspüren, haben aber wenig, um sie zu stillen. Merkwürdig! daher wird's wahrscheinlich kommen, daß man auf der Welt schon oft sagt: Das ist aber eine arme, hungrige und durstige Seel! Ja, ja, über ein elendes Leben in Wien steht denn doch nichts auf; das dumme Völkl singt mit hungrigem Magen noch immer ein lustig's Liedchen vom Tod. Die Reichen geben nichts her, die Minister schreiben Steuern aus, der Kaiser weiß sich vor lauter Unterhaltungen nicht zu helfen, und schaut nur, was der Kaisergroßpapa im Eisbärenlande spricht; das Einzige hat ein G'wicht, alles andere ist nichts; und wer da was dawider spräche in seiner Noth und Schwäche, der kann's verspüren bald, ob jung er oder alt, mit wem er's hat zu thun im Belag'rungsstande nun; der Kaiser ist nicht faul – und giebt ihm Ein's auf Maul. O Nikolaus, o Nikolaus, du großer Mann! Nach Östreich hast dir g'baut die Bahn, und Preußen in der großen Noth leckt schon jetzt an deinem Koth; was wird's erst später werden auf der lieben Erden! Das Deutschland in Wirr'n schon schmeißet Zwirn, und's liebe starke Frankreich, wird auch schon todtenbleich; wenn England sich nur rührt, wird Europa gleich verwirrt. O, das sind schöne G'schichten! sei'n wir froh, daß wir nimmer leben auf der Erd'. O Wien, o Wien, o Wien, wohin, wohin, wohin treibt dein Unsinn, Unsinn, Unsinn?

12. Aha, schau, schau, schau der Mensch! – während meines Geplausches sind wir nun auch samt und sämtlich auf die Gasse gekommen. Wie war denn das möglich? denn ich kann mich ja gar nicht erinnern, daß ich aber auch nur einen Fuß in die Höhe gehoben hätte.“

13. Sagt sein Nachbar, so ein recht derber Patron: „Wie kannscht du aber a so dumm sein, und um so wos frogn? Siegscht denn nit, wos dös ischt? Dös ischt hold ane Zauberei, Gott schteh uns bei!“ – Sagt der Humorist: „Wenn nur ein Tiroler nie sein Maul aufthät'! denn, wenn ein Tiroler zu reden beginnt, so bebt die ganze Erde vor Dummheit!“ – Sagt der Tiroler: „Dös loß du schtean, daß du mi schimpfscht, süscht (sonst) krieagst mi a Fauntsche auf dei Gfriesch, dosch dir die roate Supn obedreantsche (herabrinnen) wird.“

14. Sagt der Humorist: „O du dummer Kerl von einem Tiroler! siehst denn nicht, daß wir itzt Geister sind, die blos Willen und Verstand, aber keine Leiber haben! Wir sind nun so etwas außerordentlich Luftiges. So du mir nun eine allerechteste Tirolerflauntsche gäbest, vor der sonst das gesamte Rindvieh von ganz Europa eine besondere Achtung haben sollt', so würdest du damit dich aber nur lächerlich machen, denn da schlügest du mit deiner Luft auf die meine, und es schlüge da eine Dummheit die andere. Petter! Stecke daher ein dein Schwert, es hat ja keinen Werth. Denn wer mit dem Schwert umgeht, der kommt auch durch's Schwert um. Siehst du, das steht geschrieben in der heiligen Schrift, hast du sie einmal gelesen?“ – Sagt der Tiroler: „Ober bischt du dümm! Wia kunnt iachs denn lösen, bin do nia in a Schul gongen. Ober dös wäß i wohl, daß iach von da heilge Schrift meh woaß als du!“

15. Sagt der Humorist: „Nun, nun, werde nur nicht so massiv wie deine Berge in deinem Landl! schau lieber dorthin, wo unser Paulus dort nun gar so freundlich mit einem lieben schlichten Manne sich bespricht, und wie ihm Jener die Hand drückt, aus lauter, wie dankbarer Freude! – Und dann schau dort weiter rechts hin – ein Mädchen, wie's keine zweite mehr wo giebt! – No du, dös wär a so a rechte tausend element Lisl! du, dös wär ein anders Früchtl als deine fünfzähnluckete Nazi beim gschecketen Hirschen! du! da gehen wir ein wenig näher hin! Meiner Seel, die wär' mir schon lieber als wie die österreichische Staatsschuld! was meinst du blatterstepziger Tiroler?“ – Sagt der Tiroler: „Du bischt di hold noch immer a tamasches Luder von an Menschn. Siagscht denn not, doß af solchen Bahnern für ünsch kane Feige woxn! Bleibmer, wo wir san, do isch viel gschieder für ünsch.“

(Am 17. Juni 1850)

16. Spricht der Humorist: „Gelt, du hast nur keine Kurasch nicht, sonst gingest du schon hin. Ja, ja, die Kurasch, die Kurasch – die fehlt dir wohl sehr stark; denn ich habe es immer gehört, daß die Tiroler nur hinter den Felsen, wo sie schußsicher sind, kuraschirte Leute seien; aber im offenen Felde der Davonlauferei sehr ergeben, so es irgend wo ein wenig hitzig herzugehen beginnt. Und so wirst du davon wohl etwa auch keine Ausnahme machen. Ich aber werde wohl hingeh'n, und werde pflichtgemäß dem guten Paul meinen Dank abstatten, daß er uns so gut und zu unserem Wohle ins Freie heraus geführet hat. Wir sind freilich nun noch in unserm lieben Wien, aber da doch wenigstens in einer der belebtesten Straßen, wo es stets sehr lebhaft zugeht, und das ist schon ein ungeheurer Profit, und steht viel höher, als das Hocken in einer solchen wahrhaftigen Bleikammer, und sich in derselben von allen Trutten abdrucken lassen. Kurz und gut, Paul hat an uns Großes gethan; ich muß ihm darum meinen Dank abstatten.“ – Spricht der Tiroler: „Siagscht, Siagscht, wosch du vor a Haupts......... bischt! Moanscht, iach kenn' dich epes nöt! Dös Menschle schticht dich in d' Augn, und dößhalben mögschd hingeahn, nöt ober epes n'Paul z'dank'n. Ober schau nuar, döß d'weiter kimmscht, sünscht wirsch dö bald seahn, obs die T'ruller a Kurasch hobn oder nöt; versteascht mi?“

17. Spricht der Humorist zu einem andern Nachbar: „Freund! magst du mit mir hingehen, dem Paulus zu danken, daß er uns aus dieser Bleikammer befreit hat; denn mit diesem vierschrötigen Tiroler ist nichts anzufangen; sagt man ihm etwas, so wird er gleich schlagsüchtig, und gebährdet sich wie ein Stier, der gerade im Begriffe ist, seinen Hörnern so ein kleines unschuldiges Stoßvergnügen zu verschaffen. Also, wanns dich nicht schenirt, so gehe mit!“ –Spr. der Angeredete: „Ich geh' auch nicht; denn du hast auch mich beleidigt, indem ich auch ein Tiroler bin, freilich mehr gebildet als der andere. Wenn du den Tirolern Mangel an Kurasche vorwirfst, so bist du ein dummer Mensch, der das nicht weiß, daß die Tiroler die allertapfersten Krieger sind und allzeit waren. Schau, du tamischer Wiener, wann du ein rechter Mensch wärst, der Kopf und Verstand hat, so nähmest du schon von weitem den Hut vor jedem Tiroler ab; denn das sind noch Leute, die in die Welt taugen; ihr Wiener seid sonst nichts als allergemeinste Mistkäfer; und es ist für längere Zeit für keinen ehrlichen Mann eine Ehre, mit euch in Familie zu leben.“

18. Spricht der Humorist: „O je, o je; itzt hab' ich's gut gemacht. Zwischen zwei Feuern vom gröbsten Kaliber! Jetzt habe ich aber auch die höchste Zeit, daß ich weiter kömme, sonst entleert sich noch ehestens ein echtes Tiroler Hochgewitter über mein Haupt.“

19. Hier verläßt der Humorist seine Hochgebirgsgesellschaft, und begiebt sich schnell zum Paulus hin, und sagt: „Liebwerthester Freund! du hast uns Allen eine große Wohlthat erwiesen, und wie ich's bemerke, so ist es noch keinem eingefallen, daß er sich hier draußen im Freien bei dir bedanket hätte, darum du uns durch die Wahrheit deiner Rede aus unserer wahren Bleikammer befreiet hast. Ich habe daher vom tiefsten Dankgefühle gedrungen mir als erster die Freiheit genommen, dir als unserem allerwerthesten Freunde hiermit meinen tiefsten und wärmsten Dank darzubringen.“

20. Sagt Paulus ein wenig lächelnd: „Schön, schön von dir, aber nur hättest du hier auch den Hauptgrund angeben sollen, der dich vorzüglich ganz besonders zu diesem deinem Dankgefühlsaufschwunge vor mir genöthigt hat. Sieh' der grobe Tiroler hatte recht, als er zu dir sagte: nicht der Paulus, sondern das Menschle sticht dir in die Augen. – Also in Zukunft nur alles, was wahr ist; denn hier, vor uns, ist es wohl keiner Seele möglich, sich zu verstellen. Gehe aber nun nur auch zum Menschle hin, und mache ihr dein Kompliment! Aber vergesse es nicht, daß sie schon ein Weib eines Mannes ist, und zwar eben desjenigen, der neben ihr stehet.“

21. Spricht der Humorist: „Lieber Freund! ich danke dir auch für diese Belehrung, denn sie ist wahr, und durchaus wahr; aber daß ich nun dieser wahrlich allerholdesten Dame sogleich ein Kompliment machen solle, während sie mit ihrem Gatten in ein tiefes Gespräch versunken dort stehet, dürfte denn doch ein wenig unschicklich sein. Je mehr ich sie aber betrachte, desto bekannter kommt mir ihr Gesicht vor, wie auch das Seine; es hat, so ich mich nicht irre, eine ganz außerordentlich frappante Aehnlichkeit mit dem berüchtigten, hm – hm – fällt mir aber gerade jetzt der Name nicht ein – no, no, no – kurz, er sieht einem Hauptdemokraten gleich, den ich vor ein paar Jahren oft oft – in Wien gesehen habe. Vom Sehen aus sind mir also er und sie bestens bekannt, aber natürlich die Namen können mir nicht bekannt sein.“

22. Spricht Paulus: „Daran liegt auch sehr wenig vorderhand, und wir haben nun gar um sehr Vieles wichtigere Dinge zu thun, als uns mit ein paar Namen herumzubalgen, und uns dann drei Tage lang nach ird'schem Gebrauche zu verwundern, daß diese die und die seien. Ich werde dir aber nun einen andern Rath geben; den befolge du, und es wird dein Schade nicht sein! – Falle du nun vor diesem meinem höchsten und allerbesten Freunde auf deine Kniee nieder, und sage: „O Herr, sei mir armem Sünder gnädig und barmherzig! nehme mich als ein sehr mächtig verloren gewesenes Schaf in deiner großen Gnade auf, und lasse auch mich genießen die Ausflüsse deiner Liebe und Erbarmung! – Sage aber solches mit aller Wärme deines Herzens aus, und dir solle dafür ein Heil widerfahren!“

23. Spricht der Humorist: „O Freund! du verlangest sehr viel von mir! Bedenke, wie mich alle meine Bekannten auslachen werden, und ansehen für einen barsten Trottl; und so mich dann Jemand fragen wird, und sagen: Warum thust du wohl solches? – Wer ist denn Der, vor Dem du wie vor dem allerheiligsten Altarssakramente bei der Wandlung auf die Kniee gerutschet bist, und hast vor ihm schon gethan, als so er unser Herrgott wäre? – was werde ich solch einem Fragsteller zur Antwort geben?“ – Sagt Paulus: „Nichts als: Thue auch du desgleichen, so wird es für dich besser sein, als solch ein leeres Fragen! Denn Der, vor Dem ich niederfiel, ist Jesus Christus der Herr – Himmels und aller Welten.“

24. Hier fällt unser Humorist am Boden nieder, und sagt hell lachend: „Nein, was z'viel ist, ist z'viel! entweder bist du zeitweilig ein Narr, oder dir beliebt es, mich und uns Alle dafür zu halten, und dich also an unserer Schwäche zu belustigen. Es ist genug, daß wir dich unter dem Namen eines alten berühmten Apostels verehren, weil du uns wirklich durch deine Lehre zu einem wahren Apostel geworden bist; aber daß nun dieser dein noch schlichter denn du aussehender Freund nun so ganz mir und dir nichts Christus der Herr sei, und die andern zwei höchst wahrscheinlich auch ein paar Apostel, und jene Dame etwa gar die allerseligste Jungfrau mit dem hl. Josef, (oder was beißt mich da unter der Achsel,) sein solle, sieh, das geht vom Himmelblauen schon rein ins hell Kirschrothe über! Lieber Freund, ist das wirklich dein Ernst, oder machst du einen Spaß mit uns?

25. Ich sage dir, Freund, aber nun ganz freundlich ernst: Mit derlei Spässen bleibe du uns vom Halse; denn sie könnten dir mit der Zeit ganz verdammt übel bekommen. Denn wisse du, mein sonst allerhochschätzbarster Freund; obschon ich zwar kein Farisäer bin, das ist, in der neuen römisch-katholischen Art, die Christum aus Stärkmehl backt, und vor einer Oblate auf's Gesicht fällt, im Herzen aber Christum und Sein heilig Wort haßt und verachtet, wie auch jeden, der sich rein nach der Gotteslehre Jesu hält; so bin ich aber dennoch ein wahrer innerer Verehrer Christi, und bekenne vollkommen Seine unbestreitbare Göttlichkeit; aus welchem Grunde Er mir denn doch viel zu erhaben und zu heilig ist, als daß ich Ihn hier in den weltberühmt allergemeinsten Wienerstraßenkoth herabziehen solle. – Glaube mir, obschon ich zwar in manchen Punkten, besonders im Punkte des schönen Geschlechts kein Trapist bin, und kein Plato und kein Sokrates, aber demungeachtet bin ich ein großer Freund und Verehrer und Anbeter Christi. Daher bitte ich dich wohl, mit diesem Namen aller Namen ein wenig behutsamer umzugehen.“

26. Sagen nun auch die Sieben, die sich zuerst an den Paulus angeschlossen haben: „Ja, ja, der Pepi hat recht; Christum den Herrn muß man höher achten, und es ist nicht schön von unserem sonst sehr achtbaren Freunde, daß er den Gottessohn in so einen ganz gewöhnlichen Menschen herabziehen will.“ – Sagt Paulus: „Seid nur ruhig! es solle sich übrigens bald zu zeigen anfangen, ob ich recht habe oder nicht! – Ziehen wir nun weiter; denn hier sind wir bereits vollends fertig! Der Herr geht, und so denn gehn auch wir!“

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