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Kapitel 205 Robert Blum, Buch 2

Vermutungen der Mitläufer. Die Ahnen des Hauses Habsburg-Lothringen.

1. Sagt im Gehen der Humorist: „Was soll das wieder heißen? Der Herr geht, also gehen auch wir! Wer ist denn der Herr, was ist er als Herr, warum ist er ein Herr? Der Mensch wird doch etwa nicht im Ernst behaupten wollen, dass dieser echte polnische Schachermann am Ende dennoch Christus der Herr sein soll!?“ – Sagt ein anderer neben dem Humoristen: „Du, Sepl, jetzt wird mir die ganze Sache klar, was es da mit dieser Gesellschaft für eine Bewandtnis hat.“ – Sepl fragt: „Nun, was denn? Rede!“

2. Redet der Erste weiter: „So höre denn! Das sind feine russische Spione unter dem Deckmantel von einer gewissen transzendentalen Pietistik, mit der sie die Menschheit blenden. Es ist wahr, der sogenannte Paulus sprach wie ein Buch, und seine zwei Geldwechslungsgeschichtchen sind von einer Art, hinter der sich entweder wenig oder wohl auch gar kein Betrug soll denken lassen. Aber ich denke da viel schärfer und sage: Eine plumpe Maske ist schlechter als gar keine! Daher haben diese Russitschkis eine gar feine Maske gewählt, durch die man sicher ohne sehr vergrößernde Augengläser nicht leichtlich wie durch ein hohles Fass schauen wird. Christus, Paulus, sicher auch Petrus, Jakobus oder Johannes und gar etwa auch Joseph und Maria! O wie denn anders? Ein recht rares Sextett! Der Christus wird so ein Hauptmagier sein und sehr hieroglyphenartig reden, so er überhaupt etwas redet. Denn gewöhnlich sind solche Hauptmagier stumm gleich wie ein altes Stück Bauholz. Der sogenannte Paulus wird sein nächster Helfershelfer sein, auch in der Magie nicht unbewandert, aber hauptsächlich beim Redezeug zu Hause. Die andern zwei scheinen mir mehr so Taschenspielsadjudanten zu sein. Und der ganz Voranige mit der schönen Zirkassierin ist höchst sicher so ein feiner Pfiffikoni und kennt sich überall aus. Und seine Holdeste ist so ein Lockvögelein und manchmal, gegen natürlich viel Geld, so ein liebes Zugpflästerchen für gewisse Schmerzen und Anschoppungen im Unterleib. Zwar alles menschlich, aber der Art nach doch sogar für unser großes Wien etwas selten. Nun Sepl, fangst nun schon an, dich ein wenig auszukennen?“

3. Sagt der Humorist: „Ja, ja, die Geschichte hat wohl ein solches Gesicht, dass man schier so was glauben soll! Aber für ganz, wie für alle Zeiten abgemacht, möchte ich die Sache denn doch nicht annehmen. Denn der Paulus ist wirklich ein Weiser, wie es in ganz Wien keinen zweiten irgendwo mehr geben dürfte. Und der sogenannte Christus, zwar ganz ein polnischer Jude, scheint aber sonst ein überaus guter Mann zu sein ohne die geringste kaufmännische Tücke. Und die andern vier, die Zirkassierin mitgezählt, sehen wenigstens sehr honett aus, und man entdeckt nichts Gemeines an ihnen. Auch der Verzehrungssteuereinnehmer geht an der Seite des seinsollenden Christus ganz allerbehaglichst mit und scheint sich um sein Amt gar nicht mehr umsehen zu wollen. Also laufen auch wir mit, als ob wir bezahlt würden, ohne dass uns wer bemüßigte. Das sind denn auch Zeichen, die irgendein Gewicht haben! Was meinst du, mein Freund? Die Sache fängt an, für mich ein sehr bedeutend anderes Gesicht zu bekommen, als das im Anfang der Fall war. Schau hinauf ans Firmament! Der Himmel ganz rein, keine Sonne, und doch ist Tageshelle vorhanden! Gelt, das frappiert dich nun! Schaue aber diese uns nur zu bekannte Gasse an! Siehst du außer uns aber auch nur eine bekannte Seele wandeln? Siehe, alles ist leer, die Häuser wie ausgestorben, und auf der Straße wächst – incredibile dictu [unglaublicherweise] – das schönste Gras! Sage mir, fällt dir diese Sache nicht auf?“

4. Sagt der Erste: „Allerdings hat die Sache etwas für sich! Am sonderbarsten sieht aber wirklich das Firmament aus. Der Himmel ist förmlich licht-indigoblau. Und alles ist ganz so beleuchtet, als wie von der Sonne am hellen Mittag. Aber nirgends ist etwas zu entdecken, das da der Sonne gleichen möchte. Kein Gegenstand wirft einen Schatten, überall gleiches Licht, und nirgends ein leuchtender Körper, weder eine Sonne, noch ein Mond, noch ein Stern! Ja, ja, du hast recht, das ist schon sehr merkwürdig!“

(Am 20. Juni 1850)

5. Sagt der Humorist: „Nun, ich glaub's auch, dass die Sache so ein wenig merkwürdig sein könnte. Die Stadt, die Häuser und Gassen und Plätze sind wohl ganz vollkommen Wien; auch der Belagerungszustand mit seinen verpalissadierten Bastionen und Kanonen dauert in völlig gleicher Gestalt fort. Nur ist das Wache habende Militär nicht so streng gegen die Besucher der Bastionen und lässt sie wandeln ihre Wege. Aber sehe dir einmal die Menschen an, so dir irgendwelche unterkommen! Da kann man wohl mit allem Recht sagen: 'S Mandl und 's Weibl ist nimmer zum Auseinanderkennen! Und sie sind meistens weltfremd, wild und dumm wie die Chinesen, und traurig und wehmütig, als wenn sie schon halbenteils die Cholera hätten. Dort schaue hin! Vor einem Haustor stehen so einige Zigeuner! Schaue sie nur an, was die für echte Froschgesichter machen und wie sie sich dann und wann einander beriechen als wie die Sultl und Spitzl [Hundenamen: Sultan und Spitzer] im Frühjahr oder als wie die echten Mäckeljuden, die ihre Schuldner, die als zahlungsunfähig vor sie um eine Prolongierung flehend sich demütigst hinstellen, am Ende zu beriechen anfangen, ob kein Silber oder Gold aus ihnen röche. Sage, hast du so was sonst je im lieben Wien gesehen? Gelt, das ist rar.“

6. Sagt der Nachbar: „Ist wahr, ist wahr! Merkwürdig, sehr merkwürdig! Aber he, he! Dort, dort, wo sich die Gasse etwas beugt, was wandert denn dort wahrlich Wien ganz was Fremdes uns entgegen? Beim Kuckuck! Das sind ja große schwarze Straußvögel! Sie haben ungeheuer lange Hälse und noch längere Beine! Und es gibt ihrer eine Masse! Sie kommen uns näher! Wahrlich, mit denen möchte ich gerade nicht einen Gassenkampf beginnen! Du, Freund Sepl, zupf du da ein wenig den Herrn Paul! Er wird dir darüber wohl etwa eine Auskunft zu geben vermögen.“ – Sagt der Sepl: „Zupf du ihn! Warum soll das gerade ich tun? Die Vögel werden etwa wohl einer großen Menagerie ausgekommen sein! Der Herr Vetter Holzbamer wird sich doch etwa vor diesen afrikanischen Kapaunen nicht fürchten!?“

7. Sagt der Vetter Holzbamer: „Nein, das gerade nicht. Aber wissen möcht ich's doch, wo etwa diese Viecher her san. Vielleicht sein's etwa gar böse Geister? So wir nun etwa doch in der Geisterwelt uns befinden könnten, da wäre so was ja gar leicht möglich!“ – Spricht der Humorist Sepl: „Warum nicht gar! Geister werden's wohl sein, aber keine bösen! Denn Geist muss alles haben, was da lebt. Aber nun machen die Luder förmlich Front vor uns, und aus ihren sonderbaren Mienen ist eine gewisse Kampfgier gerade nicht unverkennbar. Der Herr Vetter könnt am Ende mit seinen bösen Geistern auch noch recht haben! Nun muss ich denn doch im Ernst den guten Paulus ein wenig zupfen gehen.“

8. Hier zupft der Humorist den Paulus und sagt: „Höre, edler Freund, was hat's denn da mit den schwarzen Straußen für eine verzweifelte Bewandtnis? Werden sie uns fressen oder was?“ – Sagt Paulus: „O nein! Sorgt euch um nichts! Diese werden uns nichts tun. Sie ziehen uns nur in Parade entgegen, um uns zu ersuchen, dass wir sie in ihrem Palast besuchen sollen. Daher seid ganz zuversichtsvoll ruhig! In der Kürze aber werdet ihr es schon ohnehin erfahren, was es mit diesen Eisenfressern für eine Bewandtnis hat.“

9. Der Sepl gibt sich nun ruhig und sein Vetter auch. Und diese beiden beruhigen auch die andern, die auch mehr oder weniger über diese Erscheinung stutzen. Als wir aber ganz in die Nähe dieser Vögel kommen, so verlieren sie mehr und mehr ihre Straußgestalt und werden zu sehr hager aussehenden Menschen, von denen ein paar vortreten und den Robert ersuchen, dass er die ganze Gesellschaft in ihren alten, höchst adeligen Palast führen möchte.

10. Robert sagt darauf freilich wohl, dass er der Herr nicht sei und weist die beiden an Mich, aber die beiden sagen: „Wonn du nöt Herr, worum voron gahn?“ – Und Robert sagt: „Weil es also des Herrn Wille ist! Und also ist es auch des Herrn Wille, dass ihr euch an Ihn wenden sollt, so es euch in irgendetwas wahrhaft geholfen werden soll. Wir alle andern können euch nicht helfen, außer durch Lehre und Rat. Die Tat ist des Herrn allein! Darum wendet euch an den Herrn! Was Er anordnen wird, das wird geschehen.“

11. Auf diesen Bescheid vom Robert verfügen sich die beiden zu Mir und sagen: „Wonn du Herr, so gah mid ons sämtlich deiner Gesellschaft! Wür bitten di dorom!“ – Sage Ich: „Was sollen wir bei euch? Wer seid ihr Hohen denn – dass Ich euch nicht kenne? Was waren eure Taten? Ich kenne die Geister nur nach ihren Taten und nie nach ihrer Gestalt.“

12. Sagen die zwei: „Wür sund kane Geister noh, wür sund Herzog und Erzherzog und König und noh mehr! Und wür wohnen alle in einem Höchstadlings-Palast. Und do sollst du mid ons gahn, und wür werden ons dort besser verstahn.“ – Sage Ich zum Robert: „Also führe uns denn dahin, und wir werden sehen, was sich dort alles offenbaren wird.“

13. Robert sagt nun zu den zweien: „So ihr es vernommen habt, was der Herr nun geredet hat, so tretet vor mich hin und führt uns alle in euer Haus.“ – Sagen die beiden: „Wür hohn kan Haos, wür hohn nur ann Höchstadlings-Palast, weil wür sund von de höchste Adl.“

14. Sagt die Helena, die schon etwas pitzlich wird über die höchst langweilige Gesprächsweise dieser Höchstadeligen: „No, no, schauts nur gleich, dass euer Höchstadlings-Palast am End etwa gar so ein recht schmutzigs Saustallerl ist. Jetzt wollen die einen Palast, nein, das ist wohl zum Lachen! So graupige und kleinzerlumpte Kerls – und einen Höchstadlings-Palast! No, no, wir werden es wohl sehen, was da für ein Palast herauswachsen wird.“ – Sagt einer der Höchstadlings: „Mane Jongfr, sa se stad mid Maul, sonst leg i ane Schlos af ihr Maul! Se moss froh san, wonn sie onser Herrgott lebe laht! Had se verstahn?“

15. Sagt die Helena: „Sie, sagen's mir, wie lang ist's denn schon seither, als sie g'storbn sind? Sie müssen, Ihrer Sprache nach zu urteilen, doch noch so hübsch viel vor'n Adom auf der Welt g'lebt habn? Nein, ist aber das eine Sprache, bei der man alle Zustände bekommen möchte, besonders so man sie längere Zeit anhören müsste. Nun, wie ich's merke, so geht der Weg ja zu den Kapuzinern? Soll etwa dort der Höchstadlings-Palast sein?“ – Sagt der eine Höchstadlings: „Stad sei mid dan Maul! Du verstahn ons nöt, du best su jong. Dorom holt stad dane Maul! Ba de Kopozenr son mer wohl, obr nöt of de Erd', sonde ondr de Erd, verstahn du Jongfr!“

16. Sagt die Helena: „Ja, ja, mir kommt es auch so vor, dass ihr noch so hübsch fest unter der Erde zu Hause sein werdet. Das wird wohl 's erste Mal sein, dass ihr euch über der Erde befindet.“ – Sagt der eine wieder ganz zornig: „Jche hohn de scho gsagt, dass dei Maul holde sulst, ob du thost de nöt fulge man Word, so werd i de musse ane obe schloga! Host du me verstahn?“

17. Sagt Robert zur Helena: „Meine Geliebteste! Musst nicht gar zu viel reden mit diesen Wesen; denn sie sind sehr roh und könnten dir am Ende im Ernst etwas Leides antun! Ich sehe aber ja ohnehin, wohin sie uns führen werden, und so braucht man weiter nicht mehr darum zu fragen. Sieh, das sind lauter längst verstorbene Regenten des Hauses Habsburg und Lothringen! Nun ruhen sie in der Herrschergruft bei den Kapuzinern, teilweise auch bei den Augustinern wie auch einige in den Stephansdom-Katakomben – das ist ihr Höchstadlings-Palast. Wir werden nun sogleich bei ihren Särgen uns befinden. Daher sei nur ruhig und still!“

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